Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
die Martha bei seinem Vater, der damals noch lebte, in der Ruin’ gewohnt, und mein Bruder, der David, hat sie gern gehabt. Der Haubold ist damals als Student auf der Un’versität gewes’n und auf die Ferien nach Haus’ gekommen. Da hat sich die Martha in ihn verschamerirt, und mein Bruder hat das Nachseh’n gehabt. Die Beid’n sind nachher hier auf dem Saal, wo die Bühne aufgerichtet war, zusammengerath’n. Haubold ist nach der Vorstellung, wie allemal, mit der Sängerin hinaus auf die Kanzel spazir’n gegangen, mein Bruder ihnen nach, und am anderen Morg’n hat der arme Tropf zerschmettert im Fels’nbruch geleg’n. Die Martha ist verschwund’n, und der Teufelsstudent hat nix von der Sach’ wissen woll’n. Aber warum ist es denn sogleich mit seinem Studio zu End’ gewes’n? Das böse Gewiss’n hat ihm zum Weiterlernen net Ruh’ gelass’n; er ist auf dem Hof geblieb’n und so niedersinnig ‘word’n, daß er sich endlich gefürcht’t hat, vor die Leut’ zu tret’n!«
»Wißt Ihr auch schon, wer da ist?« fragte in diesem Augenblicke der Wirth, welcher herbeigetreten war, um die leeren Gläser fortzunehmen.
»Wer denn?«
»Der Gustav vom Teufelshof.«
Diese Nachricht erregte allgemeines Aufsehen. Es konnte sich Keiner erinnern, den jungen Mann jemals im Wirthshause oder gar beim Tanze auf dem Saale gesehen zu haben. Jeder vermuthete einen besonderen Grund, den sein heutiges Erscheinen haben mußte, und die Neugierde Aller war so groß, daß der Tisch bald leer stand, da sich die Gäste hinaus auf den Tanzboden begeben hatten, um den Ankömmling mit eigenen Augen zu sehen.
Dieser war erst vor Kurzem eingetreten und hatte an einem der Seitentische Platz genommen. Die bereits daran Sitzenden hatten sich sofort erhoben und waren davon gegangen. Nun saß er allein; Niemand sprach mit ihm, und selbst der Wirth fragte ihn nicht, ob er etwas trinken wolle.
Er schien sich aus diesem Verhalten wenig zu machen, vielmehr lag eine gewisse Befriedigung auf seinen wohlgeformten, regelmäßigen Zügen. Er hatte Katharina gesehen, welche, von einer Schaar junger Burschen umschwärmt, dem Eingange gegenüber saß und bei jeder Tour zum Tanze gefordert wurde. Eine Vergleichung mit den anderen Mädchen brachte ihn zu dem Resultate, daß keine sich mit ihr zu messen vermöge, und es überkam ihn eine wunderbar glückliche Regung, wenn er an die Art und Weise dachte, in welcher sie heute mit ihm gesprochen hatte.
So wenig er sich um andere Personen kümmerte, er selbst war doch der Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit. Die Alten hatten ihre Neugierde nun befriedigt und waren, da sie für jetzt an seinem Verhalten nichts Besonderes bemerkten, zu ihren Gläsern zurückgekehrt; die Jungen beobachteten ihn verstohlen und flüsterten sich hier und da ihre Bemerkungen zu, und die Mädchen – es gab keinen Burschen, der so hübsch und reputirlich sah, wie er; das sagten sie sich alle, und gar mancher heimliche Blick flog aus verlangendem Auge zu ihm hin, – wenn er nur nicht gerade der Teufelshaubold wäre!
Auch Katharina blickte öfters nach ihm herüber, aber nicht verstohlen, sondern offen und freundlich, so wie sie ihm am Nachmittage in das zum ersten Male beseligte Gesicht gesehen hatte. Der Wunsch, welcher heute am Zaune über ihre Lippen gekommen war, hatte schnell und vollständiger noch, als sie geglaubt hätte, seine Erfüllung gefunden. Sie hatte Gustav gesprochen, ja, er war jetzt auf dem Saale erschienen, und aus welchem Grunde, das ahnte sie. Darum that es ihr um so mehr wehe, daß ihm das Vorurtheil so schroff gegenüber trat und er so verlassen an seinem Tische sitzen mußte. Wie gern wäre sie aufgesprungen und zu ihm hingegangen! Aber das durfte sie nicht, und dabei mußte sie all’ den vielen Drängern Rede und Antwort stehen und sich gar noch über den Sohn des Richters ärgern, welcher sie in der auffälligsten Weise in Beschlag genommen hatte und gar nicht von ihrer Seite weichen wollte.
Sie hatte ihm den nächsten Rheinländer versprechen müssen, und er nahm daraus die Veranlassung, bei ihr zu bleiben, um den Tanz nicht zu versäumen.
Was mußte Gustav denken, wenn er sah, daß sie immer inmitten von Burschen saß, von denen doch nicht loszukommen war!
Die Zeit verging, und Niemand bemerkte bei der allgemeinen Fröhlichkeit, daß das Gewitter, welches der Tannenbauer schon für den Nachmittag erwartet hatte, seine drohenden Wolkenmassen zusammenballte und schon einzelne schwere
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