Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Tannenbauer als der reichste Mann im Dorfe bekannt und hatte auf den Mammon gepocht, ohne für Unglücksfälle, wie der jetzt ihn treffende einer war, die gewöhnlichen Vorkehrungsmaßregeln zur Sicherung seiner Habe zu treffen. Der Bauer befreundet sich nur langsam mit Einrichtungen, deren Nützlichkeit ihm nicht sofort und schwerwichtig in die Augen fällt, nimmt der Speculation gegenüber gern eine mißtrauisch zuwartende Haltung an und betrachtet selbst das Versicherungswesen mit einer Vorsicht, deren Folgen er nicht selten zu beklagen hat.
Der Wiesenhof war nicht versichert, und sein Besitzer dachte in diesem Augenblicke nicht an die Gefahr, in welcher sich Weib und Kind befanden, sondern nur an den schweren Verlust, den das gefräßige Element ihm bereiten mußte.
Sowohl die mit Getreide gefüllte Scheune, als auch die Stallung, in deren oberen Räumen ein bedeutender Vorrath duftenden Gebirgsheues untergebracht war, brannte lichterloh; der funkensprühende Schwalch leckte bereits an dem Hauptgebäude, und doch war kein Mensch in dem tageshell erleuchteten Hofe zu sehen. Die Bewohner schienen nur mit ihren nächsten Habseligkeiten beschäftigt und an das arme Vieh nicht zu denken, welches ängstlich nach Rettung brüllte.
Heinemann schwankte nach dem Stalle und öffnete die Thür. Mit Hilfe der auch jetzt herbeieilenden Nachbarn gelang es ihm, die Thiere in das Freie zu bringen. Damit war es aber auch vollständig mit seiner Kraft zu Ende, und zusammenbrechend sank er auf einen der Sessel nieder, welche man aus der Wohnstube mit anderen Möbeln herbeigetragen brachte.
»Steh’ auf, Wies’nbauer,« mahnte ihn eine schnarrende Stimme. »Es ist von Deinem Gesind’ gar Niemand net zu seh’n, und es muß doch auch wer da sein, der in dem Gedräng’ auf Ordnung sieht!«
»Laß mich! Ich mag gar nix mehr wiss’n auf der Welt. Du bist doch der Richter und kannst die Ordnung führ’n!«
»Ich hab’ net Zeit dazu. Jetzt kommt die Spritz’, und bei der muß ich sein, damit sie die richtige Stell’ im Aug’ behalt’n!«
»So geh’! Mit mir ist’s aus; mir ist nun Alles gleich!«
Es stürmte vom Thurme. Das waren dieselben Glocken, deren frommes Mahnen er heute von sich gewiesen hatte. Wie ganz anders klang jetzt ihre Stimme! Er hörte sie nicht; er hatte keine Sinne mehr für die Außenwelt; es war ihm, als läge er selbst in Asche. – Asche? Wie hatte die Drohung des jungen Teufelsbauern gelautet? »Du hast Wind und Asch’ gesä’t und wirst Sturm und Feuer ernten!« Sie hatte sich erfüllt. Die Flamme stieg breit und groß vor ihm zum blutroth gefärbten Himmel auf, und der Sturm drehte sie zusammen, riß sie wieder auseinander und warf einen zündenden Funkenhagel auf das theilweise noch mit Stroh gedeckte Wohnhaus nieder, dessen Rückwand nach dem unvorsichtigen Gebrauche der Gebirgler bis hoch hinauf mit kurzem Reisig und kleingehacktem Brennholze belegt worden war.
Die Erinnerung an seine Begegnung mit Gustav gab ihm neue Kraft; er sprang empor und blickte mit verstörtem Gesichte um sich. In einem wirren, fürchterlichen Durcheinander eilten, sich mehr hindernd als helfend, die mit Löschen und Retten beschäftigten Leute hin und her; es fehlte gänzlich an der nothwendigen Leitung; Jeder that, was ihm beliebte, und der kleine Ortsrichter ließ dem Wasserstrahle der Spritze eine solche Leitung geben, daß derselbe kaum irgend einen Nutzen schaffen konnte.
»Was ist denn das für aan unselig’s Gethu’, Ihr Leut’?« donnerte da eine Stimme durch den wüsten Lärm. »Macht aane Reih’ mit Euern Wassereimern, von hier bis an den Teich, und schafft die Spritz’ rasch in den Gart’n, sonst brennt das Reisig an und Alles ist verlor’n!«
Der Richter fuhr herum, erzürnt über das Corrigiren seiner Anordnungen.
»Hast’ etwa ‘was hier zu befehl’n, Teufelsbauer? Mach’ Dich schnell aus dem Dorfe fort, sonst wirst’ hinausgebracht, Du waaßt wohl schon, warum!«
»Bist’ wieder da, Haubold Frieder?« erscholl es plötzlich auf der anderen Seite, von welcher Heinemann mit vom Grimme verzerrtem Gesichte herbeigesprungen kam. »Willst wohl seh’n, ob ich mich schon vor Deinem Advocat’n fürcht’? Ich bin noch immer der Wies’nbauer, und Du – waaßt noch immer net, wie’s damals war mit meinem Bruder? Kommt her, Ihr Leut’, und werft ihn in das Feuer! Er hat es angezund’n!«
»Um Gotteswill’n, was thust’, Vater!« warnte ihn Katharina, indem sie sich zwischen die
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