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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der gleichgiltigsten Miene den Bleistift wieder zur Hand und führte denselben mit einer Sicherheit über die Blätter, als handle es sich um die allereinfachste Strichübung.
    Als die Köpfe ihre vollständige Schattirung erhalten hatten, übergab er sie den beiden Männern.
    »So! Besser bringt’s Keiner fertig. Wenn man solche Herr’n zu Papier bringt, muß man sich schon besser Mühe geb’n als bei gewöhnlichen Leut’n.«
    Die Arbeit war sehr gut gelungen; der Baron schob ihm den versprochenen Thaler zu, und auch der »Bankier« entschloß sich zu einem gleichen Honorar.
    »Kannst’s immer nehmen, Franz,« ermunterte er; »wir sind ja Leute, die es haben! Nich wahr, Bergwirth?«
    Der Gefragte nickte zustimmend und klopfte dabei mit einem verschmitzten Lächeln an seine eigene Tasche.
    »Das wollt’ ich meinen! Wir hab’n wohl alle Drei net nöthig, mit dem Pfennige zu fuchs’n, denn so lange es in der Welt noch Dumme gibt, braucht kein Gescheidter für’s Bischen Münz’ zu sorg’n!«
    »Hast Recht,« lachte der Riese. »Und die Dummen werden ja niemals alle; wenn es mit Einem zu Ende geht, so kommt dafür ein ganzer Güterzug voll Andere wieder an. Heut’ wird hier bei Euch ein Gäns’rich gerupft.«
    »Kann mir’s denk’n, wer es ist. Hab’ ja auch schon genug Federn von ihm! Aber die schönste Feder, die er gelass’n hat, war doch der Braune drauß’n.«
    »Ja, ja, Alter; das war ein Meisterstück von uns Dreien. Halte nur Dein Hinterstübchen immer parat und gib unsere Karten nicht an and’re Leute. Weißt Du vielleicht, wer alles zum Dukatenhof geladen ist?«
    »Die ganze Nachbarschaft. Die Kleinen bleiben unt’n in der Stub’, und die paar Groß’n kommen ‘rauf in’s gute Zimmer. Geld gibt’s da ob’n mehr als genug. Heut’ Abend komme ich auch hin; beim Begräbniß freilich kann ich net mit sein, weil die Wirthin ‘nunter ist.«
    »Da kommst Du natürlich hinauf zu uns! Wir legen eine kleine Bank, und Du – na, Du wirst ja sehen wie es paßt; der Dukatengraf kann Dir Deinen Stall auch mit bauen helfen.«
    Der Köpfle-Franz schien wenig oder gar nicht auf diese Reden zu achten. Er hatte sein Geld eingesteckt, sein Bier getrunken und griff eben zum Sacke, um sich zu verabschieden, als sich vom Thale herauf das Geläute von Glocken vernehmen ließ.
    »Was?« rief der »Baron« Genannte. »Schon so weit? Da haben wir über der Malerei die Leiche ganz vergessen und können uns nur sputen, wenn wir den Zug noch sehen wollen. Vorwärts, College!«
    Der Kleine setzte den blauen Zwicker fest und erhob sich.
    »Als ob ein Leichenzug so ganz ‘was grausam Sehenswerthes wär’!« meinte Franz gleichgiltig. »Von meinetweg’n mag sterben wer da will, ich laufe Keinem nach. Wer wird denn ‘nausgetrag’n?«
    »Das ist’s ja eb’n, was ich Dir sagen wollte,« antwortete der Wirth, welcher sich anschickte, die beiden Gäste an den Wagen zu begleiten. »Ich hab’ es nur über den Bildern ganz und gar vergess’n. Die Dukatenbäuerin ist todt; sie hat vor ihrem End’ gar viel nach Dir gefragt und fast gar net ersterb’n können, weil Du net da gewes’n bist.«
    Er verließ das Zimmer und bemerkte in Folge dessen die außerordentliche Wirkung nicht, welche seine Worte auf den Frager hervorbrachten. Dieser starrte mit dem Ausdrucke des höchsten Schreckens im erbleichten Angesichte und weit aufgerissenen Auges nach der Stelle, auf welcher der Berichterstatter gestanden hatte; kein Glied seines Körpers regte sich, keine Miene bewegte sich; er schien bei der Kunde von dem Tode der Dukatenbäuerin selbst zur Leiche geworden zu sein. So stand er eine ganze Weile wie leblos auf einem und demselben Flecke, bis sich endlich die furchtbare Beklemmung mit einem tiefen, röchelnden Athemzuge aus der zusammengepreßten Brust rang.
    »Die Anna ist todt – – der Anna läut’n sie – – die Anna woll’n sie begrab’n? Nein, nein, die Anna ist net todt, die Anna kann nimmer sterben, die Anna darf net begraben werd’n! Ich leid’ es net, daß ihr sie einscharrt, ich leid’ es net! Fort, fort – – ich will sie seh’n, ich muß sie festhalt’n, ihr dürft sie mir net nehmen!«
    Der Schreck war verschwunden, dafür aber eine Angst über ihn gekommen, die alle seine Nerven und Sehnen anspannte und ihm den hellen Schweiß aus den Poren trieb, noch ehe seine Glieder zu irgend einer Anstrengung gelangt waren. Er warf sich den Sack über die Schulter, griff zu den beiden Stemmhölzern und

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