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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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‘rein, wenn Du erfahr’n willst, wer’s gewes’n ist.«
    »Laß nur den schlechten Witz, Bergwirth; mich hast Du net zum Narr’n! Aber ‘rein kommen thu’ ich schon; ich möcht wohl gern ‘was trink’n, wenn’s net viel kosten thät.«
    In der Stube saßen zwei Männer, die, obgleich sie sich in ihren inneren Eigenheiten begegnen mochten, in Beziehung auf ihre äußere Gestalt in einem scharfen Gegensatze zu einander standen. Der Eine war klein und außerordentlich hager; seine spitze Physiognomie hatte etwas Raubvogelähnliches, was durch die große, schnabelartig gebildete Nase, auf welcher ein blauglasiger Klemmer ritt, keineswegs gemildert wurde. Der Andere war von hoher, starker und ungeschlachter Statur; sein dicker Kopf mit dem starken, kurzgeschorenen Haare, der niederen, nach hinten gehenden Stirn, den kleinen, tückischen Augen, der breitgedrückten Nase, den wulstig aufgeworfenen Lippen und schlappen Hängebacken war sehr geeignet, zu einem ähnlichen Vergleiche zu führen, denn er erinnerte ganz unwillkürlich an jene Bissigkeit, durch welche sich eine bekannte Art unserer Hausthiere auszuzeichnen pflegt. Auch er trug seine gesunden Sehwerkzeuge hinter Glas und Rahmen, da aber der Zwicker bei ihm nicht gehaftet hätte, so war seine Wahl auf die altbewährte und zuverlässigere Form der Brille gefallen. Beide, der Riese sowohl als auch der Zwerg, waren fein und nach der neuesten Mode gekleidet, doch saßen wenigstens dem Ersteren die Sachen so, daß sich sehr leicht vermuthen ließ, er habe sich erst vor noch nicht gar zu langer Zeit mit diesem Habitus befreundet.
    »Laß doch den Krüppel draußen, Bergwirth,« meinte er. »Es wird mir immer schlecht, wenn ich so eine Kreatur zu sehen bekomme, und übrigens habe ich das Betteln niemals leiden mögen!«
    Der Gegenstand dieser lieblosen Aeußerung hörte die Worte gar wohl, denn er befand sich bereits in der Stube, aber ganz entgegengesetzt der gewöhnlichen Reizbarkeit gebrechlicher Leute erwiederte er in demüthigem Tone:
    »Herr Baron, ich bin net selber Schuld, daß sie mir die Beine weggeschnitt’n hab’n; aber wenn ich Ihn’n zuwider bin, so will ich geh’n!«
    »Bleib’ nur immer da!« gebot der Zwerg. »Der Herr Baron kennt Dich noch nicht und wird wohl nichts dagegen haben, daß Du ihm einmal Deine Kunst zeigst.«
    »Was denn für eine Kunst?« frug verächtlich der Riese. »Es wird wohl nicht weit her damit sein!«
    »Da dürften Sie sich irr’n!« entgegnete der Wirth. »Der Franz ist ein ganz perfekter Maler; er zeichnet an keinem Kopfe länger als fünf Minut’n, und nachher ist man getroff’n g’rad wie man leibt und lebt. D’rum heißt er ja eb’n der Köpfle-Franz.«
    »Das machst Du mir nicht weiß! Wenn er das fertig brächte, so stände es besser mit ihm.«
    »Sie glauben’s net? So werd’ ich’s Ihnen beweis’n. Franz, willst Du mich abzeichnen, so wie ich jetzt hier sitz’ mit der Tabakspfeif’ im Munde? Du sollst ‘n gutes Bier bekommen und noch fünf Grosch’n extra d’rauf!«
    »Warum denn net? Das Bier soll mir recht sein, denn ich hab’ grad den richtigen Durst, und das Geld ist alleweil’ am nothwendigsten zu brauch’n. Bleib sitz’n; ich werd’ gleich fertig sein!«
    Er schob sich an den nächsten Stuhl, nahm den Sack vom Rücken, öffnete ihn und zog eine sorgfältig eingewickelte Papierrolle hervor. Sie enthielt sein Zeichenmaterial. Der Wirth richtete sich erwartungsvoll in Positur, brachte die neue Meerschaumpfeife in das gehörige Licht, und kaum waren einige Minuten vergangen, so hielt er die fertige Bleistiftskizze in der Hand.
    »Franz,« rief er befriedigt, »so gut wie heut’ hast Du mich noch niemals getroff’n! Hier sind die fünf Grosch’n, und von wegen dem Bier, da sollst Du zwei Seidel hab’n statt nur eins!«
    »Zeig’ her, Bergwirth,« meinte der Kleine. »Wenn er heut’ wirklich so eine gute Hand hat, so soll er mich auch abkonterfeien. Wahrhaftig! Besser bringt’s der größte Künstler nicht zuweg; guck her, Baron! Franz, willst Du meinen Kopf auch zeichnen?«
    »Meinetweg’n, wenn’s dem Herrn Bankier Recht ist! Hab’ g’rad noch zwei Papiere; für Sie eins und für den Herrn Baron eins.«
    »Gut,« entschied dieser. »Ich sehe, daß Du kein dummer Kerl bist. Sollst mich also auch malen, und wenn ich mit Dir zufrieden bin, so bekommst Du einen ganzen Thaler!«
    Er hatte erwartet, daß dieses Gebot den armen Teufel in Staunen versetzen werde; dieser aber nahm mit

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