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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der auf’s Neue gewonnene Freund über den Zaun herüber. »Ich muß zum Bad!«
    Es war Sonntag, und als die Glocken zur Kirche läuteten, folgte auch Einer, der seit fast einem Menschenalter nicht in seinem Stuhle gesehen war, ihrem Rufe. Die Augen der Anwesenden waren mehr auf ihn gerichtet, als auf den Pfarrer, er aber schien dies nicht zu bemerken, sondern lauschte den Worten des Letzteren, der den seltenen Zuhörer gar wohl bemerkt hatte und, von der Aenderung seines Sinnes überzeugt, gar manchen tröstenden und erhebenden Wink einfließen ließ, von welchem in dem Konzepte seiner Rede nichts zu lesen war.
    Als er nach Hause kam, fand er zwei Gäste vor, die eben aus dem leeren Stalle traten. Es war der Baron mit dem Agenten. Sie hatten wegen der morgenden Versteigerung einen Rundgang durch den Dukatenhof unternommen und begrüßten ihn in einer ganz anderen Weise, als es früher geschehen war. Wilhelm hatte ihren Begleiter gemacht.
    »Guten Morgen, Dukatengraf!« meinte der Baron. »Wo hast Du heut’ Deine Kette gelassen? Und an dem Rocke hier sind doch schwarze Knöpfe!«
    »Die Dukaten hab’t ihr, und die schwarzen Knöpfe hab’ ich. Wollen seh’n, wer das Seine am längsten behält!«
    »Oho, bist Du heut’ patzig! Aber wahr ist’s, die Dukaten haben wir und auch noch mehr dazu. Schau her!« Er zog ein Portefeuille aus der Tasche und entnahm demselben mehrere kleine, sorgfältig eingeschlagene Päckchen. »Das ist der Preis für den Dukatenhof, der morgen unser wird. Du warst kein dummer Kerl, aber gekauft haben wir Dich doch, und wenn das Gut zerschlagen ist, so sind wir hier fertig und versuchen es wo anders mit einem noch Gescheidteren.«
    »Das könnt ihr thun, wenn ihr den Hof auch wirklich bekommt. Jetzt aber bin ich noch hier und die Straße da draußen ist euer. Macht, daß ihr mit einander hinauskommt!«
    »Gut, Du sollst Deinen Willen haben, Dukatenmann; aber morgen hörst Du auch den uns’rigen und dann ist’s umgekehrt!«
    Mit stolzen, selbstbewußten Schritten ging er davon. Auch der Agent hatte nach einer Brieftasche gegriffen und sie geöffnet. Ohne ein Wort des Abschiedes konnte er unmöglich den Platz verlassen. Er trat hart an Graf heran, hielt ihm das geöffnete Notizbuch vor die Augen, blinzelte ihn höhnisch durch den blauen Klemmer an und frug:
    »Sehen Sie diese Ziffern, Herr Graf? Das ist bei Heller und Pfennig, was Sie im Spiel zum Fenster hinaus geworfen haben und von uns natürlich aufgefangen worden ist. O, wir führen sehr genau Buch, und wenn Ihnen an diesen Notizen gelegen ist, so will ich sie Ihnen zur Verfügung stellen. Sie können sich die Zeit damit vertreiben, wenn dieselbe ihnen jetzt nun wegen dem Lieutenant etwas lang gemacht wird! Und was – – –«
    Er konnte seine Abschiedsrede nicht vollenden, denn Wilhelm hatte ihn bei der letzten Wendung derselben beim Kragen genommen und brachte ihn mit solcher Geschwindigkeit vor das Thor hinaus, daß sogar der Klemmer von dem gewaltsamen Fortschritte ergriffen wurde und trotz des weiten Weges bis vor auf die Nasenspitze rutschte. Ihn wieder an den gehörigen Ort zurückschiebend, schickte sich der kleine Mann zu einer ernsten Verwahrung gegen ein so summarisches Verfahren an, der Baron aber ergriff ihn am Arme und zog ihn lachend mit sich fort.
    »So ist Dir’s recht geschehen, Kleiner! Du brauchtest mit Deinem Näschen nicht so ewig lang da drin herum zu schnobern! Aber nimm Dir’s nicht zu sehr zu Herzen. Heut’ mir und morgen Dir!«
    Auf dem Rückwege vom Thore bemerkte Wilhelm ein mehrfach zusammengeschlagenes Papier, welches an der Erde lag. Es mußte bei dem ungewöhnlich raschen Transporte dem Agenten aus der Brieftasche gefallen sein. Er nahm es auf und schlug es aus einander. Es war ein Blatt aus einer fremden Zeitung, zeigte ein längst vergangenes Datum und enthielt neben gerichtlichen Ankündigungen und einem Börsenkurse nur werthlose Annoncen. Schon wollte er es wegwerfen, als sein Gesicht auf einmal einen ganz anderen, gespannten Ausdruck annahm.
    »Steht ‘was Wichtiges d’rin?« frug Graf.
    »Was sehr Wichtig’s. Das müss’n wir uns ‘mal genau anseh’n und überleg’n. Kommen Sie herein!« –
    Auch den Nachmittagsgottesdienst besuchte Graf. Als er sich der Kirche näherte, bemerkte er vor dem Pfarrhofe eine zweispännige Kutsche; der livrirte Kutscher saß in stolzer Unbeweglichkeit auf dem Bocke, den Peitschenschaft auf dem rechten Knie, und ein ebenso gekleideter Diener stand am

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