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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sie es thun. Und wenn ich erst ‘mal vom Dorfe weg bin, so seh’n Sie doch zuweil’n mit nach meinem Kinde; ein freundlich Wort wird immerdar zu brauchen sein, und ich weiß, Sie sind bereit dazu!«
    Er fühlte es weich und warm an seinem Herzen emporsteigen und nahm daher schnell Abschied, um die über ihn kommende Rührung zu verbergen. Die Glocken läuteten zur Kirche; er folgte ihrem Rufe – zum zweiten Male seit langer Zeit und zum letzten Male wohl für das ganze Leben. Und nach beendigtem Gottesdienste besuchte er den Kirchhof, um Abschied zu nehmen von dem Hügel, der ihm bisher so gleichgiltig war und an dessen Seite ihm nun auch die Ruhestätte verweigert werden sollte. Seine letzte Stunde sollte ihm nun hinter eisernen Gittern schlagen, und sein Grab, es lag wohl einmal außer der Reihe derjenigen, zu denen die Liebe ihre treuen Schritte lenken darf.
    Zum Dukatenhof zurückgekehrt, fand er denselben von einer zahlreichen Menschenmenge belagert. Ohne daß man wußte woher, hatte sich das Gerücht, der König und die Königin seien vom Bade herüber gekommen, erst beim Pfarrer gewesen und dann nach dem Dukatenhof gefahren, wie ein Lauffeuer durch das Dorf verbreitet, und Alles war herbeigeilt, um die hohen Herrschaften zu sehen. Die Posaune des letzten Gerichtes hätte ihn nicht schrecklicher treffen können, als diese unerwartete Kunde, und er mußte alle seine Kraft und Selbstbeherrschung zusammen nehmen, um sich ihren Eindruck vor den vielen Leuten nicht merken zu lassen.
    Längst schon war er hinter dem Thore verschwunden, Viertelstunde auf Viertelstunde war vergangen, da endlich wurde die Thüre aufgestoßen und der Köpfle-Franz erschien unter derselben. Die Arme so hoch wie möglich in die Luft werfend, gab er das Zeichen zur Ruhe und rief dann:
    »Hört ‘mal, ihr Leut’, wenn ich schrei’, so schrei’t ihr auch!«
    Er konnte die Zustimmung des Publikums gar nicht abwarten, denn schon im nächsten Augenblicke traten die Erwarteten aus dem Hause. Der Diener öffnete den Schlag; sie stiegen ein und der Bezirksgerichtsdirektor folgte ihnen. Da richtete Franz sich so hoch wie möglich empor und rief so laut er nur konnte:
    »Paßt auf, ihr Leut’! Alleweil soll der Herr König leben, vivat hoch!«
    »Hoch!« brauste es über die anwesende Menge dahin.
    »Und die Frau Königin grad’ erst recht daneb’n, vivat hoch!«
    Der Ruf wiederholte sich und endete nicht eher, als bis der Wagen den Augen der Nachblickenden vollständig entschwunden war. Köpfle-Franz aber kehrte gar nicht wieder in den Hof zurück, sondern schlich sich so schnell wie möglich am Zaune hin und schlug dann den Weg nach seiner Wohnung ein. Noch niemals hatte er sich mit so freudigem Gesicht das Dorf hinaufgeschoben, und als er bei geschlossenen Läden und angesteckten Lichtern vor dem Bilde der einstigen Geliebten hockte, lag auf seinem Gesichte eine Verklärung, welcher jenes unbeschreibliche Etwas in seinen Zügen vollständig gewichen war.
    »Nun ist’s zu End’ mit allem Haß und Streit, mit aller Angst und Sorg’, Anna! Aber gekämpft hab’n wir auch, daß es so weit gekommen ist. Der König hat net gleich gewollt, sondern gesagt, da gäb’ es vorher erst gar viel auf dem Gericht zu thun, ehe an die Gnad’ zu denk’n sei, aber die Emma ist fast todt gewesen vor Herzeleid, der Heinrich hat vollends gar kein Wort zu Weg’ gebracht, auch der Wilhelm hat geweint und gebeten, und da sind der Königin die Thränen über die Wang’ gestürzt und sie hat ihren Mann bei der Hand gefaßt und ihn so lieb und gut angeschaut, daß ihm das Herz endlich doch übergelauf’n ist. Er hat mit dem Gerichtsdirektor noch einige Wort’ in einer fremden Sprach’ gesprochen und dann gesagt: ›Nun gut, er soll net gefangen sein. Wo so viel Reu’ und Fürsprach’ ist, da kann kein König widersteh’n!‹ Aber nun die Freud’, die sollt’st Du seh’n! Der Heinrich hat geschluchzt wie ein Kind, die Emma hat dem König und der Königin immer nur die Händ’ geküßt und mit Thränen gesalbt, der Wilhelm und ich, wir sind vor Glück auch ganz stumm gewesen, und die Herrschaften haben selbst net gewußt, wo sie mit ihrer Rührung hin sollen. Anna, das war die schönste Stund’ in meinem Leb’n! Und nun werd’ ich meine Rache vollenden, aber net die, welche ich erst gewollt hab’, sondern eine andere, eine viel, viel schönere und bessere!«
    Er schob sich zum Ofen und zog die Bilderstöße unter demselben hervor; dann entfernte

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