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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Vater hab’ ich getroffen; nachher sollte Dich der Klotz todt machen, aber Du bist – – –«
    »Der Klotz? Der ist net von selber auf mich gerollt?«
    »Nein; das muß ich Dir Alles sagen, denn deshalb bin ich ja heut’ zu Dir gekommen. Ich hab’ ihn fortgerollt, damit er Dich hat treffen soll’n.«
    »So ist’s doch wahr, was ich mir net hab’ denken können, weil’s gar zu grausig schlecht gewesen ist! O Du doppelter und dreifacher Mörder, Du bist doch ein wahrer Teufel in Menschengestalt und solltest grad’ von unten auf gerädert werden!«
    »Franz, das bin ich ja auch schon! Siehst’s net? Und in meinem Alter hat das mehr zu bedeuten als damals, wo Du noch jung gewesen bist. Seit ich die Schul’ verlassen hab’, ist mir der Glaube an Gott abhanden gekommen, jetzt aber weiß ich, daß es wirklich die Gerechtigkeit gibt, die in der Bibel steht: ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹. Dir hab’ ich die Füß’ genommen, nun sind mir die meinen auch zermalmt; und dasselbe Holz hat’s gethan, was ich auf Dich gestoßen hab’! Der liebe Gott hätt’ vielleicht noch Nachsicht gehabt mit mir, aber weil ich auch den Wilhelm hab’ zerschmettern wollen, so – – –«
    »Auch den Wilhelm? Geh fort, Graf, geh, ich kann’s net länger hören! Ich hab’ vorhin gesagt, daß Du in meiner Stub’ alleweil nix zu fürchten hast, d’rum geh, mach schnell zur Thüre hinaus, daß ich mein Wort net brechen thu’!«
    »Nein, Franz, laß mich nur da, denn Du mußt Alles wissen! Meinetwegen magst Du auf mich schlagen wie Du willst, ich nehm’ es ruhig hin, wenn ich Dir nur beichten darf, was ich an Dir verbrochen hab’! Hast’s net gehört, daß ich mich schon beim Gericht selbst angezeigt hab’, von wegen dem Lieutenant? Ich braucht’s net zu thun, aber Du sollst gerechtfertigt sein. Sie haben mich blos deshalb noch net abgeholt, weil ich bisher krank gewesen bin und net ausreißen kann. Wenn meine Buß’ hier zu Ende ist, werd’ ich mich gefangen geben. Heut’ bin ich bei Dir, morgen geh’ ich in die Kirch’, übermorgen laß ich mich aus dem Dukat’nhof weisen und Dienstag fahr’ ich mit meinem Karren nach dem Zuchthause. Ich will Alles thun und Alles tragen, denn ich hab’s verdient, und die Emma wird – –, ach Gott, mein Kind, mein gutes, liebes, unschuldiges Kind – –!«
    Es wurde still in dem Raume. Der Eine hatte ausgekämpft und beugte sich unter den Konsequenzen seiner Thaten. In dem Innern des Anderen tobte der Kampf noch fort, ja, er war jetzt erst von Neuem ausgebrochen und versetzte die Fluthen seiner Seele in einen Aufruhr, der unmöglich in wenigen Minuten zu bezwingen war.
    »Und noch Eins muß ich Dir gestehen,« fuhr der Dukatenbauer endlich fort. »Damals, als Du aus meinem Hofe geschafft warst und krank zu Haus’ lagst, wo die Marie Dich pflegte, da ist die Anna alle Tag gekommen und hat sie gefragt; wie’s mit Dir steht. Nachher hat sie ein Schreiben gemacht an Dich, was die Marie Dir geben sollt’, ich aber bin darüber gerathen und hab’ ihr’s konfiszirt. Hier ist’s. Ich bin in tausend Nächten darüber gesessen und hab’s mit Grimm und Aerger immer wieder lesen müssen.«
    Franz griff begierig nach dem Papiere, es war zerknittert und beschmutzt und mußte allerdings viel in Gebrauch gewesen sein. Die Nähe des Lichtes suchend, saugte der ungeübte Leser die Worte langsam von dem Zettel, wiederholte jeden Satz, bis er ihn seiner Seele einverleibt fühlte, und als er zu Ende war, wandte er sich mit zuckenden Lippen zu dem Nebenbuhler:
    »Schau, Graf, die Stöß’ dort unter’m Ofen, das Alles ist nur ihr Bild, nur immer wieder ihr Kopf. Ich hab’ gebettelt und gehungert, um Papier zu haben, hab’ Tag und Nacht und Jahre lang gesessen, ehe ich ihn ähnlich brachte, aber ich geb’ all die Bilder hin für diesen einen Brief, und den bekommst net wieder, der geht alleweil mit mir in’s Grab.«
    »Du sollst ihn auch behalten, dafür hab’ ich ihn hergebracht. Hier ist noch einer; den hat sie geschrieb’n gleich vor dem Tod. In ihrer letzt’n Stund’ mußt’ ich ihr versprechen, daß ich ihn Dir selber bringen wollt’. Es ist geblieben bis heut’; warum, das kannst Du Dir denk’n.«
    »Zeig’ her!«
    Er war nur kurz, aber sein Inhalt brachte einen tiefen Eindruck, eine außerordentliche Wirkung auf Franz hervor. Mit geschlossenen Lidern lehnte er an der Wand; die widerstreitenden Empfindungen seines Innern gingen in bald zornigen, bald milderen Zügen

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