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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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über sein matt erleuchtetes Gesicht, Minute um Minute verrann, die Lichter brannten herab, zischend und flackernd verlöschte eines nach dem anderen, es wurde dunkel in der Stube und noch immer regte er sich nicht. Endlich, endlich klang ein langer, schwerer Seufzer durch die Stille.
    »Heinrich!«
    »Franz!«
    »Ich hab’ Dir vergeben!«
    »Franz, ist’s möglich, ist’s wahr?«
    »Ja! Die Anna hat’s gewollt; in dem Brief’, da steht’s geschrieb’n, und da will ich’s auch thun. Wir sind Freund gewesen von Jugend auf bis an den Tag, wo meine Liebe zu ihr uns getrennt hat, meine Liebe zu ihr soll uns nun in unseren alten Tagen auch wieder zusammenführen. Sie hat Dir vergeben in ihrer Todesstund’, ich will auch Alles vergessen und nimmer wieder davon reden so lang ich noch leb’!«
    »Gib mir Deine Hand d’rauf, Franz!«
    »Die sollst Du haben, aber net hier, wo meine Flüch’ über Dich zum Himmel gestiegen sind, hier ist’s net heilig genug dazu; komm mit!«
    Sie verließen das Haus.
    Längst schon war es Nacht geworden und tiefe Ruhe lag über dem Dorfe. Schweigend folgte Heinrich seinem Führer, welcher denselben Weg nahm, den Graf vorhin herauf gekommen war. Die Schänke wurde zugeschlossen, und der letzte Gast, welcher sie verließ, kam ihnen mit langsamen Schritten entgegen. Als er die beiden außergewöhnlichen Gestalten bemerkte, blieb er stehen.
    »Das ist ja der Köpfle-Franz mit dem Dukatengrafen! Ich bin schon oft bei Dir gewesen, Franz, hab’ aber net hinein gekonnt.« Es war der alte Ortsvorsteher.
    »Ist auch net nöthig. Zu mir braucht Niemand zu kommen; Du auch net.«
    »Ich wollt’ Dir nur sagen von wegen damals, als ich Dich bei Deiner todt’n Mutter traf, daß ich Dir Unrecht gethan hab’.«
    »Das brauchst Du mir net zu sagen, das hab’ ich schon ganz von selber gewußt. Der Franz hat damals ohne Dich fertig werden müssen, er braucht Dich heut’ auch net. Mach’, daß Du nach Hause kommst!«
    Die Begegnung mit dem Manne, der dem Trostbedürftigen einst so hart entgegen getreten war, hatte seine jetzige Stimmung wie eine Entweihung berührt. Er entfernte sich, so schnell es seine Gebrechlichkeit gestattete. An der Kirche angekommen, lenkte er nach dem Gottesacker ein, dessen Thüre niemals verschlossen war. Heinreich folgte ihm. Er wußte nun, wohin der Weg gehen sollte; es war derselbe, welchen er auch unternommen hätte, wenn er allein von seinem bisherigen Feinde zurückgekehrt wäre.
    Das Grab war trotz der Dunkelheit leicht gefunden; der feine Duft der Reseda zeugte davon, daß der Hügel in einer liebevollen Pflege stehe.
    »Komm her, Heinrich. Ich hab’ mich von der Todten gewandt’, weil sie die Dukatenbäurin war; das hat sie net verdient, und d’rum werd’ ich’s wieder gut machen: Bleib’ drüben, sie soll mitten zwischen uns sein. So; und nun reich mir Deine Hand herüber und sie mag hören, was ich Dir alleweil’ sag: Was Du an uns gethan hast, das ist so gut als hättest Du’s niemals gethan. Es wird kein Mensch jemals davon ein Wort aus meinem Munde hören. Wir wollen nun wieder Freunde sein, uns Lieb’s und Gut’s erzeigen und immerfort so hand’ln, daß sie mit uns zufrieden ist! – Und nun, Heinrich, nun wollen wir beten!«
    »Franz, wart’ noch!« Man hörte es der Stimme an, in welcher Bewegung sich der Sprecher befand. »Wir dürfen net heimlich beten, sondern laut. Ich hab’s heut hier thun wollen auch ohne Dich, und daß Du mit dabei bist, das soll’s net anders machen. Als ich krank und zerschlagen im Bett’ gelegen bin, da hab’ ich das Buch vor mir liegen gehabt und das Lied auswendig gelernt, das sie sich zum Begräbniß bestellt hat. Es soll auch ‘mal bei dem meinigen gesungen werden. Und jetzt, jetzt will ich davon bet’n!«
    Er faltete die Hände. Es war heut ein Tag der Sühne, und eine Sühne sollte es auch sein, die er jetzt an dem Orte brachte, wo sich sein Hochmuth gegen die Stimme des göttlichen Wortes empört hatte. Wolken verhüllten das Firmament; nur hie und da blickte aus dem unendlichen Raume ein Stern vorübergehend zwischen ihre zerrissenen Schleier hindurch; schwarz und gespenstisch ragte die Kirche in die Nacht empor; die Lüfte schwiegen, kein Laut ließ sich hören, kein Lebenszeichen drang über die alten, halb zerfallenen Kirchhofsmauern herein zu den beiden Männern. Da rasselte es plötzlich wie rollendes Eisen im Innern des Thurmes, die Kirchenuhr hatte ausgehoben, ihre vom Roste zerfressene

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