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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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doch nicht daran. Ein Wildschütz muß mit der Waffe in der Hand und auf der That ergriffen werden!«
    »Auch das kannst Du haben! Kommt mit mir, Förster, ich gebe Euch mein Wort, schon in der nächsten Stunde steht er vor Eurer ›Hollunderflinte‹, und dann könnt Ihr ihm zeigen, was Ihr gelernt habt. Er muß hinaus, es geht nicht anders!«
    »So gehe ich mit! Aber ich glaube Dir erst dann, wenn ich ihn gebunden und gefesselt in meiner Stube liegen sehe. Hast Du ein Gewehr?«
    »Ich brauche keins. Der Lakai faßt den ›Samiel‹ blos mit der Hand! Und wenn Ihr ihn lieber in Eurer Stube als draußen im Walde schnüren wollt, so werde ich auch dieses möglich machen. Ich stimme Euch gern bei; es ist bequemer!«
    Er leerte sein Glas und schritt davon; der Förster folgte ihm. Die Uebrigen sahen sich mit zweifelhaften Mienen an und schüttelten die Köpfe. Der Wirth nahm zuerst das Wort:
    »Es wäre doch wirklich ganz absonderlich,« meinte er, »wenn der Hermann die Wahrheit gesagt hätte und sein Versprechen hielte! Ein Lügner und Windbeutel ist er nicht, das wissen wir Alle, und ein muthiger Streich ist ihm auch wohl eher zuzutrauen, als gar manchem Anderen. Ich denke, Ihr bleibt hier, bis die Frist vorbei ist, die er sich selbst gesetzt hat – vielleicht erfahren wir dann, was es draußen gegeben hat!«
    Der Vorschlag wurde, eine einzige Stimme abgerechnet, von Allen angenommen.
    »So ist es recht; so machte ich es auch, wenn ich der Wirth hier wäre!« lachte die Wiesenbäuerin. »Ich ließ die Gäste gar nimmer fort; das bringt Zechgeld und auch Vergnügen, denn wenn wir wegen dem Märchen, welches euch der Lakai aufgebunden hat, bis zum Morgen sitzen bleiben, so gibt es in der Frühe ein Gelächter im Dorfe, von dem der Kirchthurm wackelt. Ich bin nicht so dumm wie ihr, und werde schlafen geh’n. Gute Nacht!«
    »Gute Nacht, Wiesenbäuerin,« antwortete der Wirth; »Ihr wollt dem Hermann nicht zutrauen, daß er sein Versprechen einlöst, wir aber denken besser von ihm, und es muß sich ja bald zeigen, wer Recht behält!«
    Sie lachte nur höhnisch und schritt hierauf rasch von dannen. –
    Vielleicht eine halbe Stunde darauf, während die Gäste noch immer im Wirthshause saßen, sich die Zeit durch allerhand Erzählungen kürzend, kam ein Mann von einem nahegelegenen großen Gehöfte, horchte vorsichtig in die Nacht hinaus und eilte dann mit hastigen Schritten querfeldein der Höhe zu, von welcher der Rand des Forstes dunkel herniederblickte. Den hellen Mondschein vermeidend, suchte er so viel wie möglich den Schatten der zerstreut umherstehenden Büsche zu benutzen; mußte er aber nothgedrungen einmal eine der lichteren Flächen durchlaufen, so war Gestalt und Kleidung deutlich zu erkennen. Von mittlerer, untersetzter Statur, zeigte er einen vollen, kräftigen Gliederbau; ein dichter, schwarzer Bart verdeckte die untere Hälfte des Gesichtes, doch ließ die Gewandtheit, mit welcher er das schwierige Terrain überwand, auf ein noch jugendliches Alter schließen. Er trug eine kurze, bequeme Joppe, hatte die Hosen in die niedrigen Stiefelschäfte gesteckt und den Hut so tief über die Stirn hereingezogen, daß die breite, heruntergeschlagene Krempe noch zu einem andern Schutze als dem gegen die unschädlichen Strahlen des Mondes bestimmt zu sein schien.
    Als die steile Strecke überwunden war, blieb er athemholend stehen.
    »Er hat Recht,« murmelte er vor sich hin, » ich muß hinaus; ich habe ja meine Gewänder draußen im Loche und die Gewehre und noch vieles Andere, was mich verrathen muß. Heut ist der schlimmste Tag in meinem Leben; aber mir gilt nun auch Alles gleich: ich schieß’ sie Beide nieder! Oder denkt der Hermann etwa, ich habe kein Gewehr außer dem in meinem Verstecke? Wart’, gleich werde ich eins holen und dann wehe ihnen!«
    Ohne auf die dichten Zweige zu achten, drang er in das Dunkel des Waldes ein und hielt nach kurzem Laufe vor einem Baume, dessen Stamm von dichtem Unterholz umgeben war.
    »Der ist hohl, dies weiß nur ich, und drin steckt dem Förster seine Doppelbüchse, die ich ihm gestern abgenommen habe. Sie ist geladen; das gibt für Jeden einen Schuß. Nun aber wieder fort!«
    Die sichere Schnelligkeit, mit welcher er sich fortbewegte, war bewundernswerth; er schien trotz des Dunkels jeden Baum, jeden einzelnen Strauch zu kennen. Es dauerte eine lange Zeit, ehe seine Schritte langsamer und vorsichtiger wurden. Er bewegte sich jetzt in dem Bette eines ausgetrockneten Baches,

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