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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Büchse fallen und brach lautlos zusammen.
    »Die hat genug!« meinte der Förster. »Greif zu, Hermann, damit wir sie in die Stube bringen!«
    Beide trugen die Unselige hinein, dann rief der Förster die beiden Frauen herbei, welche eingeweiht gewesen waren und in einem der oberen Räume mit ängstlicher Spannung auf das Ergebniß der Kriegslist gewartet hatten.
    »Kommt her, wir haben sie! Der Hermann hat sein Wort gehalten und den Preis gezahlt. Geh hin zu ihm, Pauline, und danke ihm, daß er uns befreit hat von dem Feinde, der unser Unglück wollte!«
    Trotz des ernsten Augenblickes strahlte ein wonniges Lächeln auf dem Angesichte des Mädchens, als es zum Geliebten trat und ihm nun vor den Augen der Eltern die Hand bot.
    »Der Dank bleibt mir gewiß,« meinte Hermann. »Nimm Dich jetzt mit der Mutter der Bäuerin an, damit ihr das Bewußtsein wiederkommt!«
    Noch waren die beiden Frauen mit der Ohnmächtigen beschäftigt, die schon Zeichen des zurückkehrenden Lebens von sich gab, als draußen an die Thür klopfte und auf die Frage des Försters sich die Stimme des Wirthes vernehmen ließ.
    »Wie ist es gegangen, Blößenförster? Wir haben die Schüsse gehört und uns gleich aufgemacht, um nachzuschauen, wie es steht.«
    »Kommt herein, wenn Ihr es sehen wollt!«
    Er ging hinaus, um zu öffnen. Es fehlte keiner der Gäste, und unbeschreiblich war ihre Verwunderung, als sie vernahmen und sahen, wer der gefürchtete Wilddieb gewesen war. Alles drängte sich herbei, um die Bäuerin in Augenschein zu nehmen, und bei der außerordentlichen Bewegung, welche rings im Kreise herrschte, bemerkte Keiner, daß die Gefangene zuweilen einen verstohlenen Blick unter den gesenkten Wimpern hervorwarf, um ihre Umgebung zu durchmustern.
    Die Besinnung war ihr vollständig zurückgekehrt, sie erkannte, daß Rettung unmöglich sei und keine Macht der Erde ihr mehr helfen könne. Dort an der Wand hing die »Hollunderflinte«, die sie einst dem Förster zurückgelassen hatte. Sie war geladen; die Kugel sollte ihn oder den ›Samiel‹ treffen, wie er geschworen hatte. Noch lange lag sie unter finstern Gedanken regungslos und ließ die Schmähungen der Umstehenden über sich ergehen. Plötzlich aber tönte ein allgemeiner Schrei durch das Zimmer. Sie war emporgesprungen, hatte die im Wege Stehenden, die einen solchen Angriff nicht erwarteten, bei Seite gestoßen, das Gewehr herabgerissen und war durch die noch offen stehenden Thüren davongesprungen.
    »Ihr nach, ihr nach!« rief der Förster, indem er zugleich das Beispiel gab und ohne Verzug in die mondeshelle Nacht eilte.
    Die Andern folgten. Sie kamen eben noch rechtzeitig, um die Fliehende am Rande der Blöße verschwinden zu sehen. Sie hatte den Weg nach dem Dorfe eingeschlagen. Wollte sie nach Hause? Die Antwort sollte den Verfolgenden bald werden. Ein Schuß krachte, Hermann hatte den Förster überholt; als er an die Stelle kam, wo er in der Abenddämmerung mit ihr gerungen hatte, stieß sein eilender Fuß an einen im Wege liegenden Körper. Er hielt den Schritt zurück und bückte sich ahnungsvoll zur Erde. Sie war es!
    Bald standen die Uebrigen bei ihm. Der Förster untersuchte die Todte; die Kugel war ihr grad in das Herz gedrungen.
    »Der ›Samiel‹ hat ausgespielt,« meinte er, nicht weniger ergriffen als die Andern. »Gott sei der armen Seele gnädig! Laßt uns ein Vaterunser beten!«
    Die Männer entblößten ihre Häupter und falteten die Hände. Auch Hermann folgte der Aufforderung des alten rauhen Mannes. Er fühlte sich im tiefsten Herzen gepackt von dem Schicksale, welches die einst von ihm Geliebte ereilt hatte. »Fahr hin und geh’ zu Grunde!« hatte sie ihm vorhin in besinnungslosem Grimme zugerufen – das Schicksal hatte es anders gewendet und dieser Fluch war der Abschluß ihres eigenen Lebens geworden.

Der Kaiserbauer
Eine erzgebirgische Dorfgeschichte von Karl May
1.
    Am Eingange des Dorfes lag ein kleines einstöckiges Häuschen, dessen roth angestrichenes Fachwerk munter aus dem frischen Weiß der Wände hervortrat. An einem Fenster des Wohnstübchens saß Meister Peter Fährmann, der »Bonapartenschuster« genannt, und betrachtete nachdenklich das gegenüber liegende Vordergebäude des stattlichen »Kaiserhofes«.
    »Komm her, Vater; bitt’, geh’ auch herbei, Mutter; das Essen ist fertig!« weckte ihn eine freundliche Stimme aus seinem Sinnen.
    Die Eltern folgten der Einladung, stellten sich an ihre gewohnten Plätze und nachdem der

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