Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
nicht der Mann, der dem ›Samiel‹ gewachsen wäre. Ich kenne den Förster besser als ihr alle mit einander, er war ja der Heger bei meinem Vater, und als er den um das Brod brachte und selber Förster wurde, besaß er nicht einmal ein gescheidtes Gewehr, weshalb ich ihm aus Gnade und Barmherzigkeit meine Büchse zurückgelassen habe, damit er könnt’ das Schießen lernen. Er kann es heute noch nicht!«
»Kannst Du es vielleicht besser, Wiesenliese?« klang es da über den Zaun herüber.
»Besser als Du doch immer! Ich ging noch in die Schule, da schoß ich die Eichel vom Baume herab, Du aber hast kaum den Stamm getroffen. Komm herein und bring Deine Hollunderflinte mit, wenn Du Dich mit mir messen willst!«
»Da bin ich schon!« gab er, herzutretend, zur Antwort. Es trieb ihn theils der Zorn, theils auch die unerwartete Anwesenheit Hermanns herbei; er wurde durch den Umstand, daß dieser den nächtlichen Vorgang so genau zu erzählen wußte, in seiner bereits ausgesprochenen Vermuthung bestärkt und dachte, hier vielleicht irgend einen Anhaltspunkt zu finden. »Doch mit dem Messen ist es heute nichts. Die Büchse ist zwar geladen, aber die Kugel, welche darinnen steckt, bekommt nur der ›Samiel‹!«
»Das ist nur eine Ausrede; Du kannst ja wieder laden!«
»Nein, ich habe es geschworen und sie bleibt also drinn für ihn. Ich stehe Dir schon noch ein andermal zu Diensten, und da wird es sich ja finden, wer den Stamm und wer die Eichel trifft, Du oder der, von dem Du erst gelernt hast, das Gewehr richtig anzufassen. – Und Du,« wandte er sich an Hermann, »woher weißt Du denn so perfekt, wie es heute Nacht zwischen mir und dem ›Samiel‹ gegangen ist?«
»Ich habe es gehört.«
»Von wem?«
»Das werde ich Euch vielleicht später einmal sagen.«
»So ist kein gutes Gewissen dabei. Hast Du gerechte Sache, so sage es gleich!«
»Wenn Ihr in dieser Weise kommt, so muß ich schon reden! Die Pauline hat es mir erzählt.«
»Die Pauline? So hast Du mit ihr gesprochen! Wo bist Du bei ihr gewesen?«
»Am Forsthause heute gegen Abend.«
»Das laß mir fernerhin nur bleiben! Du kennst einmal meinen Willen – das Mädchen ist nicht für Dich, und wenn Du zehnmal den Leuten weiß machst, daß Du ein herrschaftlicher Leibdiener bist, Du bekommst sie nicht!«
»Und doch bekomme ich sie!« entgegnete Hermann, zornig darüber, daß der Sprecher diese Angelegenheit so öffentlich und vor den Ohren der Wiesenbäuerin zur Verhandlung brachte.
»Nicht um die Welt, sage ich!«
»Das mag sein, denn die Welt vermag ja Keiner zu bieten, und ich erst recht nicht.«
»Auch sonst um keinen Preis!«
»Um keinen?«
»Um keinen; er kann so hoch sein wie er will!«
»Oho! Auch um den ›Samiel‹ nicht?«
Der Förster trat erstaunt zurück. Wollte der junge Mann ihn etwa verhöhnen, oder war die so sorgsam gehegte Vermuthung doch vielleicht ein falsche?
»Um den ›Samiel‹?! Wie kommst Du auf diesen?« fragte der Förster.
»Weil er der einzige Preis ist, den Ihr gelten laßt. Oder nicht?«
»Ja, den ›Samiel‹, den laß ich als Preis gelten, um den kannst Du sie bekommen!«
»Gut!« rief Hermann triumphirend, »so werde ich Euer Schwiegersohn, denn ich weiß, Ihr werdet Wort halten, und hier sind ja auch der Zeugen mehr als genug. Wann wollt Ihr ihn haben?«
Die Verwunderung des Forstbeamten steigerte sich bis zum höchsten Grade und auch die Anderen saßen mit geöffnetem Munde dabei und konnten sich das selbstbewußte Auftreten Hermanns unmöglich erklären. Seine Frage klang ganz so, als handle es sich nur um die Lieferung irgend eines alltäglichen und ganz gewöhnlichen Gegenstandes.
»Ich habe heute gelobt, weder zu essen noch zu trinken bis er in meiner Hand ist. Und die Kugel hier in der Büchse soll entweder ihn treffen oder mich. Mach also schnell!«
»So sollt Ihr ihn heute noch bekommen!«
»Heute noch?« frug der Förster, und »heute noch?« klang es auch außer einem einzigen Munde von Aller Lippen.
»Ja, heute noch! Ich kenne ihn ganz genau, ihn und seinen Schlupfwinkel; ich weiß sogar, wo er sich grad jetzt in diesem Augenblick befindet.«
»Wo denn? Sage es schnell!« wurde er stürmisch aufgefordert.
»Da bist Du es wohl selber, wie ich schon vorhin gesagt habe?« frug die Wiesenbäuerin höhnisch, aber sie war bei seinem Worte zusammengezuckt und bleich geworden.
»Soll ich Dir ihn zeigen?«
»Ich sehne mich nicht nach Deiner Komödie. Das Zeigen hilft Dir nichts, ich glaube ja
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