Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
sie sowohl mit Stolz als auch mit leisem Kummer, ihre Jungen zu Männern heranreifen zu sehen.
»Er ist noch nicht volljährig, aber sein Vater überträgt ihm die Verwaltung von zehn Landsitzen in Yorkshire, damit er sich in seine zukünftigen Aufgaben hineinfindet.«
»Habt Ihr schon über eine geeignete Frau für ihn nachgedacht?«
Ida schüttelte den Kopf.
»Wir haben noch viel Zeit. Mein ältester Sohn wurde so früh verheiratet, weil gerade die ideale Erbin verfügbar war. Hugh hat keine Eile, und da sind ja auch noch seine vier Brüder.«
»Ich verstehe«, erwiderte Isabelle lächelnd. »Meine Söhne sind noch im Jungenalter. Ich weiß, dass mein Ältester Alais de Béthune heiraten wird, aber im Moment gehört er noch mir. Wir haben sie nur für so kurze Zeit, nicht wahr?«
Ida bestätigte dies mit einem betrübten Nicken.
»Was meine Tochter betrifft«, fuhr Isabelle fort, »so möchte ich, dass sie in der Ehe glücklich wird, die wir für sie arrangieren. Wir müssen jemanden finden, der über Macht und Einfluss verfügt und unsere Position festigt, aber bei dem wir zugleich
darauf vertrauen können, dass er sie so behandelt, wie wir es tun – und dessen Familie sie herzlich willkommen heißt. Sie ist erst fünf Jahre alt, und ein Teil von mir findet es furchtbar, jetzt schon über solche Dinge nachdenken zu müssen, aber es lässt sich nun einmal nicht vermeiden.«
Ida fragte sich, ob Isabelle versteckte Andeutungen machte, und kam zu dem Schluss, dass dies zutraf. In ihren blauen Augen lag vieles, was sich nur schwer ergründen ließ. Sie konnte den ausgeworfenen Köder ignorieren, wusste aber, dass Hugh irgendwann einmal heiraten musste und William Marshals älteste Tochter eine ausgezeichnete Partie wäre.
»Darüber macht sich jede Mutter Gedanken«, gab sie zurück. »Ich hoffe auch, dass ich meine Kinder glücklich vermählen kann. Meine Tochter Marie wird später im Jahr heiraten, und wir hätten keinen besseren Mann für sie finden können als Ranulf FitzRobert. Er wird eine Bereicherung für unsere Familie sein.«
»Ich meine, ich hätte ihn bei Euren Söhnen gesehen. Trägt er eine blaue Tunika?«
»Ja.«
Isabelle lächelte anerkennend.
»Er sieht sehr gut aus.«
»Und hat nicht nur Stroh zwischen den Ohren.« Ida brach eine weitere Zinne ab und knabberte daran. »Allmählich sieht der ehrenwerte Tower aus wie nach einer Belagerung«, stellte sie gespielt betrübt fest.
»Nur dass man dafür keine Steinschleuder braucht«, sagte Isabelle lachend. »Schaut Ihr Euch morgen das Wasserturnier an?«
Ida sah sie verwirrt an.
»Wasserturnier?«
»Auf dem Fluss.« Isabelle deutete auf das blaue Wasser der
Zuckerskulptur. »Sie stellen in der Mitte der Themse einen Pfahl mit einem daran befestigten Schild auf, und die Wettkämpfer müssen versuchen, ihre Lanzen von einem Boot aus so fest dagegen zu schmettern, dass sie zerbrechen. Ich habe so ein Turnier erst ein Mal gesehen, als ich als Mündel des Königs im Tower untergebracht war. Über die Hälfte der Teilnehmer landet im Wasser, aber es ist ein interessantes Schauspiel. William wird als Schiedsrichter fungieren.« Sie schnitt eine Grimasse. »Wofür ich den Heiligen danke, denn ich würde es ihm durchaus zutrauen, dass er sich daran beteiligt.«
»Ich habe von diesen Wettbewerben gehört, war aber nie in der Stadt, wenn einer stattfand«, antwortete Ida. »Ich würde mir das auch gerne einmal ansehen.«
»Dann leistet uns doch auf der Brücke Gesellschaft«, schlug Isabelle begeistert vor. »Ich würde mich freuen. Bringt Eure jüngeren Kinder mit. Ich komme mit Will, Richard und Mahelt.«
Ida nahm die Einladung dankend an, und dann gingen die beiden Frauen mit ihrem eingeheimsten Vorrat ihrer Wege.
41
London,
Mai 1199
Von ihrem Platz auf der London Bridge aus hatte Ida einen guten Blick auf die aufgeregte Menge, die in drei Reihen das Ufer der Themse säumte und auf den Beginn des Wasserturniers wartete. Der klare Himmel spiegelte sich glitzernd im Fluss wider, und Sonnenstrahlen ließen goldene Funken darauf tanzen.
Bunte Banner und Fähnchen schmückten die Kais und die dort ankernden Barken und Boote. Menschen lehnten sich aus den oberen Stockwerken und Galerien der Gebäude am Kai. Es herrschte freudige Festtagsstimmung.
Garküchen und Weinstände verzeichneten gute Geschäfte, und die Händler und Hausierer bahnten sich einen Weg durch das Gedränge und priesen ihre Waren an: Aale und Schnecken, Fleischpasteten und
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