Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Schweinshaxen, Bänder und Spitzen, kleine Blumensträuße, Perlenkettchen, Heiligenmedaillons und billige Broschen – all den Tand und die Andenken, die Londoner in Feierlaune zu erstehen pflegten.
Auch der neue König wollte sich das Schauspiel nicht entgehen lassen. Er konnte von seinem mit Kissen gepolsterten Stuhl auf einer erhöhten, mit einem Baldachin überdachten Plattform aus das Geschehen uneingeschränkt verfolgen. Neben ihm saß Hubert Walter, der Erzbischof von Canterbury, der ein prächtiges goldbesticktes Seidengewand trug. Sie wurden von dem größten Teil der Höflinge umringt, die sich eine Abwechslung von den eintönigen Regierungsgeschäften gönnen wollten.
Ida stand mit Isabelle Marshal und einigen anderen Adelsfamilien auf der London Bridge. Isabelle hatte ihre beiden ältesten Söhne Will und Richard und deren Schwester Mahelt mitgebracht – ein lebhaftes kleines Mädchen mit einem schimmernden brünetten Zopf und den haselnussbraunen Augen seines Vaters. Die Puppe, die es umklammert hielt, trug eine Kopie von Isabelles Kleidern und hatte zwei Zöpfe aus flachsfarbenem Rosshaar. Obwohl sie das Kind bereits ins Herz geschlossen hatte, konnte Ida sich Mahelt nicht als Hughs Frau vorstellen, sie war ja fast noch ein Baby. Ihre neun und sieben Jahre alten Brüder waren genauso alt wie Idas jüngere Söhne, mit denen sie sich bereits angefreundet hatten. Will, der Marshal-Erbe,
hatte die feinen Züge seiner Mutter geerbt und war überraschend leicht gebaut. Sein Bruder Richard war dagegen groß und kräftig und hatte einen kupferroten Haarschopf und Sommersprossen. Er überragte den im selben Jahr geborenen Ralph um einiges, trotzdem vertrugen die beiden sich bestens.
Ida hatte für die Kinder Ingwerbrot mitgebracht, auf das sie sich begeistert stürzten. Ela, die junge Countess of Salisbury, war ebenfalls mit von der Partie, da sie sowohl Idas Schwiegertochter als auch mit den Marshals blutsverwandt war. Sie knabberte anmutig an ihrem Brotstück. An ihren Manieren war nichts auszusetzen, sie war still, aber nicht schüchtern, was sie Idas Meinung nach zu einer perfekten Gefährtin für ihren Sohn machte.
»Da kommt ein Boot!«, krähte Mahelt, zeigte mit dem Finger auf den Fluss und hüpfte vor Aufregung auf und ab. Ihre Kinderfrau ermahnte sie, ruhig zu sein, und Eustace, der Ritter ihres Vaters, hob sie auf seine breiten Schultern, damit sie besser sehen konnte.
Zusammen mit den anderen spähte Ida über das Brückengeländer. Früher am Morgen war ein Pfahl mit einem daran genagelten Schild in der Mitte der Themse in das Flussbett gerammt worden. Jetzt schoss ein Boot mit der einsetzenden Ebbe flussabwärts. Mehrere Männern ruderten wie wild und machten sich die Kraft der Strömung zunutze. Von ihrem Platz auf der Brücke aus fühlte sich Ida an einen auf dem Rücken liegenden, zappelnden Käfer erinnert. Im Bug stand ein junger Mann mit gezückter Lanze. Der Wind blähte seine Kleider wie kleine Segel. Zu beiden Seiten des Pfahls hielten sich zwei Boote mit jeweils vier Männern bereit, jeden, der ins Wasser stürzte, sofort herauszufischen.
Der junge Mann wappnete sich für den Stoß, als der Schild näher kam. Idas Magen krampfte sich vor Aufregung zusammen.
Sie spürte, dass alle ringsum den Atem anhielten. Der Wettkämpfer holte aus. Der Zusammenprall brachte das Boot etwas von seinem Kurs ab, aber die Lanze traf und zersplitterte an dem Schild. Der Junge schwankte einen Moment lang und landete dann rücklings im Boot, das bedenklich zu schwanken begann. Lachen, Jubelrufe und lautstarker Beifall erschollen.
Ein weiteres Boot kam den Fluss herunter. Weiße Gischt stob von den durch das Wasser pflügenden Rudern auf. Wieder zersplitterte die Lanze, aber diesmal verlor der Wettkämpfer das Gleichgewicht, ruderte ein paar Sekunden lang verzweifelt mit den Armen und stürzte mit einem gewaltigen Platschen ins Wasser. Das Röhren der Zuschauer, als er triefnass in das Rettungsboot gezogen wurde, galt sowohl ihm als auch seinem erfolgreichen Vorgänger.
Ida hörte zu, wie Isabelle Mahelt erklärte, dass jeder Mann in einem Boot einmal auf den Schild zielen musste. Punkte wurden für Treffer, Fehlstöße und Stürze vergeben oder abgezogen, und am Ende des Wettkampfes würde der König dem Sieger einen Hecht auf einer silbernen Platte überreichen.
»Papa mag keinen Hecht.« Mahelt rümpfte die Nase.
»Nun, dann würde er ihn wahrscheinlich unter denen verteilen, die ihn gern
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