Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
unnatürlich gerötet, und auf seiner Hose und Tunika bildete sich ein dunkler Fleck, als seine erschlaffte Blase sich entleerte. Wills Herz hämmerte doppelt so schnell wie sonst, als wolle es für das mitschlagen, das für immer verstummt war.
»Schickt nach einem Priester«, befahl er heiser einem herbeieilenden Stallburschen. Obwohl er wusste, dass es vergeblich war, legte er ein Ohr auf Huons Brust und den Finger auf die Stelle an seinem Hals, wo das Blut unter der Haut hätte pulsieren sollen. Zitternd schloss er Huons blicklose Augen und den offen stehenden Mund. Beim Kreuz Gottes! Was für ein Ende. Was für ein sinnloses, entwürdigendes Ende eines Lebens. Tränen brannten in seinen Augen. Er wischte sie mit den Fingern fort, die soeben Huons Lider geschlossen hatten, nahm seinen
Umhang ab und breitete ihn über den Leichnam, dann stieg er die Treppe wieder hinauf, um seiner Mutter die traurige Nachricht zu überbringen – und die Zügel endlich selbst in die Hand zu nehmen.
40
Palast von Westminster,
Mai 1199
Ida bestaunte das Kunstwerk aus Zucker, Mandeln und Teig. Der Zuckerbäcker hatte ein Abbild des Towers von London geschaffen, komplett mit Zinnen und Türmchen und sogar Fahnen auf der Brustwehr. Kleine Marzipanboote mit Rudern aus gesponnenem Zucker glitten über eine wundervolle Nachbildung der Themse. Etwas Vergleichbares hatte Ida noch nie gesehen, noch nicht einmal während ihrer Zeit als Henrys Mätresse. Sie fragte sich, ob sie wohl so ein Gebilde für das nächste Fest in Framlingham bestellen konnte.
Das süße Kunstwerk war der Mittelpunkt der Tafel in Whitehall, wo die Frauen nach der Krönung von König John, die in der Kathedrale vor dem Schrein von Edward dem Bekenner stattgefunden hatte, getrennt von den in der Haupthalle speisenden Männern feierten.
Ida blickte sich verstohlen um, dann lachte sie über sich selbst. Sie war die Herrin von Norfolk und Frau eines königlichen Tafelmeisters. Was hatte sie schon zu fürchten? Wer würde sie zur Rechenschaft ziehen, wenn sie ihren Kindern ein paar Stücke Zuckerwerk mitbrachte? Als sie mit einer Serviette in der Hand auf den Turm zuging, bemerkte sie, dass Isabelle
Marshal, kürzlich zur Countess of Pembroke aufgestiegen, dieselbe Absicht verfolgte. Ida fing ihren Blick auf, und beide Frauen begannen zu kichern.
»Man kann ja von ihm halten, was man will, aber wenn es um Zuckerskulpturen geht, beschäftigt der König wahre Künstler«, stellte Ida fest.
Isabelle nahm eines der Boote auf dem Fluss an sich, Ida einige Schwäne und ein Stück von einem der Türmchen mit kunstvoll eingekerbten Schießscharten. »Es erinnert mich an Framlingham«, erklärte sie, als sie die Süßigkeiten in die Serviette wickelte. »Der Schutt allerdings auch«, fügte sie seufzend hinzu, während sie auf ein paar Zuckerkrümel am Fuß des Towers deutete.
Isabelles Augen funkelten vor Belustigung, sie konnte das gut verstehen.
»Ich werde Euer Los bald teilen. William will in Pembroke einen neuen Bergfried errichten lassen.«
Ida verdrehte die Augen.
»Ich höre noch im Schlaf das Hämmern der Steinmetze, und ich schwöre, dass ich noch den Staub vom letzten Sommer im Mund schmecke. Elf Jahre dauern die Bauarbeiten jetzt schon, und wie bei der London Bridge ist kein Ende in Sicht.«
»Aber wenn sie fertig gestellt ist, wird es eine prächtige Burg sein – und der Grafschaft alle Ehre machen.«
»Ich hoffe es.« Ida bemühte sich, einen unbefangenen Ton beizubehalten, obwohl sie der künftigen Pracht Framlinghams mit gemischten Gefühlen gegenüberstand. »Die neue Halle ist sehr schön geworden, und der Garten wird mir viel Freude machen, wenn erst einmal alles grünt und blüht.«
Die beiden Frauen vertieften sich in eine ausführliche Unterhaltung über Farben und Möbel, aber nachdem das Thema erschöpfend behandelt worden war, kam Isabelle auf etwas anderes zu sprechen.
»Eure älteren Söhne sind beides prächtige junge Männer«, stellte sie fest. »Ihr müsst sehr stolz auf sie sein.«
Warme Zuneigung stieg in Ida auf. Isabelle war so freundlich und taktvoll.
»Das bin ich in der Tat, Mylady.«
»Einer ist ein Earl, der andere der Erbe einer Grafschaft. Sie machen Euch wirklich Ehre. Wie alt ist Hugh jetzt?«
»Nächsten Advent wird er siebzehn.«
Isabelles Augen weiteten sich.
»Ich habe gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist. Dann ist er ja schon fast ein erwachsener Mann.«
Ida nickte wehmütig. Es erfüllte
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