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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Körper angespannt. Bei der ersten schnellen Regung, dessen war sie sich sicher, würde er sich auf sie stürzen. Was sollte sie tun? Ewig steif sitzen bleiben und hoffen, ihn zu beschwichtigen? Vor dem Tier auf einen der Bäume klettern? Sie verwarf die Idee sofort. Es war unmöglich, dass sie so schnell klettern konnte – außerdem war eine Raubkatze wie diese wendig genug, ihr zu folgen.
    Trotzdem hielt sie verzweifelt nach einem Versteck Ausschau. Zuerst bewegte sie nur die Augen, dann ihren Hals – und das war genau eine Regung zu viel.
    Äste knackten, als das Tier auf sie zusprang, und wieder glaubte sie, schon seine Klauen zu spüren. Doch ihr Kopf blieb merkwürdig leer. Sie fühlte keine Todesangst mehr – und auch keine Erleichterung, als der Angriff ausblieb, vielmehr etwas aus dem Gebüsch schoss, ehe der Jaguar sie erreichte. Sie konnte es nicht erkennen und hielt es im ersten Schock für einen weiteren Vogel. Doch dann sah sie, dass jenes Wesen viel größer war. Es stürmte auf das Tier los, und die Erde schien zu erzittern, als beide zu Boden gingen und ein wildes Gerangel begann. Das Fauchen und Keuchen klang erst so, als hätte ein zweiter Jaguar den anderen angegriffen, doch dann vernahm sie ein sehr menschlich anmutendes Schreien und Stöhnen.
    Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ein Jaguar schreit doch nicht, schoss es ihr dennoch durch den Kopf.
    Bevor sie ihren Retter erkennen konnte, schob sich eine neuerliche Wolke vor das Mondlicht. Die Schwärze verschluckte nicht nur jeden Schemen, sondern auch jedes Geräusch. Ihr Blut rauschte so laut in ihren Adern, dass sie weder die Laute des tödlichen Kampfes vernahm noch ihr eigenes Schreien. Nur die Schmerzen in der Kehle kündeten davon, dass sie panisch um Hilfe rief.
    Als das Mondlicht den Dschungel wieder erhellte, verstummte sie. Zwei Körper lagen vermeintlich reglos vor ihr.
    »Valentín!«
    Sie hatte sein Gesicht nicht gesehen – und wusste dennoch: Nur er würde sich zwischen sie und einen Jaguar stellen. Er war vielleicht nicht so kräftig wie sein Bruder, aber nicht minder todesmutig. Er war ein Held. Ihr Held. Sie lief auf die beiden Körper zu. Die gelben Augen des Jaguars standen immer noch weit offen, aber sie durchbohrten sie nicht mehr, sondern waren erstarrt und blicklos. Valentín lag auf dem Bauch, und als sie ihn ächzend auf den Rücken wälzte, fühlte sie Blut, warmes Blut.
    »O Valentín!«
    Das Rauschen in ihren Ohren ließ nach, und sie vernahm sein Stöhnen. Er musste wohl schwer verletzt sein. Hektisch tastete sie seinen Körper ab, um die Quelle des Blutverlusts zu finden und sie zu stillen, indem sie die Hände darauf presste. Doch anstatt eine Wunde zu fühlen, floss ihr nur noch mehr Blut entgegen.
    »Mein Gott …«
    Erstaunlich nur, dass seine Haut unter dem Blut so warm war. Sie fühlte ein Pulsieren und dann plötzlich seine Hände, die ihre ergriffen.
    »Ich bin nicht verletzt«, sagte er heiser.
    »Aber das viele Blut …«
    »Es stammt vom Tier. Ich habe ihm die Kehle aufgeschlitzt … mit einem Messer.«
    Er hob kurz seine Waffe, die im Mondschein aufblitzte, ehe er sie einsteckte, aufstand und sie hochzog. Heftiges Zittern lief über ihren Körper.
    »Bist du verrückt, mit so einem winzigen Messer einen Jaguar anzufallen?«
    »Und bist du verrückt, einfach fortzulaufen – ausgerechnet hier im Dschungel?«
    Das Zittern wurde so stark, dass sie sich kaum aufrecht halten konnte. Doch ehe sie auf ihre Knie sank, hielt er sie fest und drückte sie an sich.
    »Es … es tut mir leid, ich … ich … ich konnte nicht anders«, stammelte sie.
    »Und siehst du … ich eben auch nicht. Als ich den Jaguar sah, der auf dich lossprang, musste ich dazwischengehen.«
    Sie wusste, sie sollte sich von ihm lösen, aber sie brachte es nicht über sich und klammerte sich nur noch fester an ihn. Immer wieder wollte sie sich neu beweisen, dass sie noch etwas fühlte und folglich lebte – wollte seinen Körper spüren, der so sehnig war, seine Haut, so rauh und warm, seine kräftigen Hände. Bald genügte es nicht mehr, sich einfach nur an ihn zu pressen, stattdessen hob sie ihre Hand und strich ihm übers Gesicht. Sie fühlte seine Bartstoppeln, sein spitzes Kinn, seine Wangenknochen, sie fühlte vor allem seine Lippen, die weicher waren als vermutet.
    So wie vorhin, als sie nichts anderes denken konnte, als dass sie nicht sterben wollte, ging es ihr nun immer wieder aufs Neue durch den Kopf: Ich

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