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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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lebe noch, ich lebe noch, ich lebe noch …
    Sie konnte sich gar nicht genug an dieser Gewissheit laben, und plötzlich umfasste sie seinen Nacken, zog ihn zu sich und küsste ihn. Nie zuvor hatte sie einen Mann geküsst, es sich in geheimen Träumen nur manchmal vorgestellt. Lächerlich erschien ihr diese Vorstellung, gemessen an der Hitze, die sie durchströmte, dem Kitzel, der in ihr hochstieg, dem Schaudern, das ihren Körper erfasste. Wie hätte sie auch damit rechnen können, dass ein grober Mann so zärtlich war und sein Mund so süß?
    Sie fühlte, dass sie lebte, fühlte jedoch auch seine Sehnsucht und Trauer und sog beides auf, um sie zu ihrer zu machen und zu entscheiden: Nie wieder würde sie kopflos fliehen, sich nie wieder wie ein kleines Mädchen benehmen, nie wieder nackte Panik die Oberhand gewinnen lassen. Fortan würde sie Stärke beweisen, die sie sich selbst verdankte – und ihm. Sie würde all das durchstehen, sie würde jede Entbehrung ertragen, und wer immer sie danach war – es war jemand, der sein Leben anpackte. Der vergeben konnte. Und von Herzen lieben.
    Valentín erwiderte ihren Kuss und wollte sie noch fester an sich ziehen, doch plötzlich versteifte er sich.
    Sie hörte Schritte, spürte Licht auf sie fallen – greller als das silbrige des Mondes. Pablo kam mit einer Fackel in der Hand und grimmiger Miene auf sie zugestapft. Valeria spürte kaum, wie Valentín sie von sich stieß und rasch von ihr forttrat. Ganz allein stand sie nun vor dem toten Jaguar.
    »Sie ist nicht geflohen«, sagte Valentín schnell, »sondern vor dem Raubtier davongelaufen.«
    Pablos Blick ging von ihr zu Valentín und schließlich zum toten Jaguar.
    »Ist das so?«, fragte er gedehnt.
    »Wenn sie nicht fortgelaufen wäre, hätte das Tier uns angefallen. Keiner hat darauf geachtet, weil wir so versessen darauf waren, uns zu verprügeln.«
    Pablos Blick blieb abschätzend. Valeria konnte seine Zweifel sehen, aber die anderen Männer, die ihm gefolgt waren, deuteten tuschelnd auf den Jaguar, wirkten erst ängstlich, dann voller Respekt. Offenbar hatte keiner von ihnen Valentín zugetraut, ein Raubtier wie dieses zu töten.
    »Es hätte uns allen die Kehle zerfetzen können«, murmelte Tshepo und schlug Valentín anerkennend auf die Schultern.
    Valeria sah, wie Pablo seine Augen zusammenkniff, aber auf seinem Mund erschien ein schmales Lächeln. »Dann sollten wir künftig zusehen, uns nicht mehr zu prügeln … und unsere Geisel nicht mehr aus den Augen zu lassen.«
    Er umrundete erst sie, dann das tote Tier. Sie konnte seinen Blick mit jeder Faser ihres Leibes spüren, und die Hitze, die der Kuss durch ihre Glieder gejagt hatte, wich eisiger Kälte. Doch schließlich deutete Pablo mit dem Kinn Richtung Lager, und sie kehrten schweigend dorthin zurück.
    Valentín hielt den Blick beharrlich auf den Boden gerichtet und schien sorgsam darauf zu achten, mehrere Schritte Abstand zu ihr zu halten.
    Sie selbst hingegen hob die Hand, berührte ihre Lippen und konnte nur staunen, dass sie sich ausgerechnet in einer Nacht wie dieser, da sie fast einen schrecklichen Tod gestorben war, ja, ausgerechnet in der Wildnis, die so viele Gefahren beherbergte, und in der Nähe von Männern, die sie gewaltsam entführt hatten, so lebendig fühlte wie nie zuvor.

20. Kapitel
    A lbert Gothmann fuhr mit der Hand über die Schreibtischplatte. Er kannte jede Holzader und jede Rille, die der Druck seines Griffels in den letzten Jahren hinterlassen hatte, dennoch tat er es immer wieder, als wäre der Tisch ein lebendiges Wesen, das es zu liebkosen galt. Er seufzte. Wen hätte er auch sonst streicheln können?
    Er hob die zweite Hand und strich auch mit ihr über die Platte – eine sinnlose Geste zwar, aber doch eine Art Vergewisserung, wer er war und dass es einen Platz auf der Welt gab, wo er sich wohl fühlte. Außerhalb seines Arbeitszimmers war das anders. Sobald er es verließ, hatte er das Gefühl, Feindesland zu betreten und stets für den Krieg gegen Rosa gewappnet sein zu müssen.
    Gewiss, jener Krieg wurde nicht mit offenen Schlachten ausgefochten und mündete nie in Blutvergießen. Es war eher ein angespanntes Warten auf ihren Angriff und darauf, dass ihre Masken fielen. Sie trug die der vornehmen Dame, er die des ehrenwerten Herrn, doch darunter war sie eine verhärmte Frau und er ein Mörder. Dank ihrer beider Selbstbeherrschung kam die Wahrheit zwar nicht ans Licht, doch dass sie immer höflich zueinander waren und

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