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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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nie ein lautes Wort fiel, war schwer zu ertragen. So kontrolliert er sich gab und sosehr er auch von anderen Besonnenheit erwartete – insgeheim hatte er sich manchmal gewünscht, sie möge auf ihn losgehen, ihn schlagen oder ihm zumindest neue Vorwürfe machen. Doch durch ihr beharrliches Schweigen bekamen jene, die sie ihm einst nach Fabiens Tod an den Kopf geworfen hatte, erst recht Gewicht.
    Albert zog seine Hände von der Tischplatte, versuchte, den Gedanken an Rosa zu verdrängen, und konzentrierte sich wieder auf Ferdinand Mühlemann, seinen Associé, mit dem er eben den Geschäftsbericht des letzten halben Jahres durchging.
    Ferdinand war ein sehr dienstbeflissener Mitarbeiter, von Albert für seinen vorauseilenden Gehorsam geschätzt, aber leider etwas geschwätzig. Nachdem er die wichtigsten Zahlen genannt hatte, hörte er gar nicht wieder auf zu reden und bekräftigte immer wieder, wie erfolgreich das Bankhaus Gothmann war.
    »Sie haben damals die richtige Entscheidung getroffen, als Sie sich an diversen Aktienbanken beteiligt haben, Herr Gothmann. Manche Privatbankiers sind zu stolz dazu, aber Stolz hat noch niemanden satt und reich gemacht.«
    Albert nickte. Wenn er sich mit seinen Kollegen austauschte, stieß er oft auf die Meinung, Aktienbanken seien etwas Schmutziges, und wer sich mit ihnen einließe, rutsche zwangsläufig in die Gosse. Aber er hatte schon immer geahnt, dass die Privatbanken nicht mehr lange ihre führende Rolle in der Kreditwirtschaft behaupten konnten. Bald würden andere Zeiten anbrechen, und dann war diese Vormachtstellung – wenn überhaupt – nur durch entsprechende Beteiligung an den großen Aktienbanken zu halten.
    Ferdinand Mühlemann fuhr eifrig fort: »Und es war ebenfalls die richtige Entscheidung, sich verstärkt an der Industrie zu beteiligen. Ich meine, so viele Ihresgleichen investieren weiterhin nur in den Kauf von Staatspapieren anstatt in aufstrebende Unternehmen, doch irgendwann wird ihnen das zum Verhängnis werden.«
    Albert hörte nachdenklich zu und wiegelte ab: »Man darf aber nicht vergessen, dass die Zukunft woanders hinführt – auch unsere. Gewiss, die Industrialisierung und der Ausbau der Infrastruktur bedürfen zunehmend an Kapital, doch bald wird mehr Geld gefordert werden, als wir zu leihen imstande sind.«
    Herr Mühlemann wirkte nahezu enttäuscht, dass sein Enthusiasmus gebremst wurde. »Was soll das heißen?«
    »Das heißt, dass ein Kredit bald weitaus mehr ist als ein Privatgeschäft unter Geschäftsfreunden. Irgendwann wird man Geld an Personen verleihen, die man weder kennt, noch denen man vertraut, und die als Sicherheit ihr Vermögen bieten, nicht den Handschlag. Ich frage mich allerdings, ob wir dabei mitmachen sollen. Ist es wirklich ratsam, mit immer größeren Unternehmen zusammenzuarbeiten, oder ist es nicht langsam Zeit, sich auf die kleinen, feinen zu besinnen? Vielleicht sollten wir bedenken, dass unser größtes Kapital nicht unser Geld ist und unsere wichtigste Eigenschaft nicht unsere Liquidität.«
    Der andere schien ihn nicht zu begreifen. »Was kann denn wichtiger sein als das?«, fragte er verständnislos.
    Albert beugte sich vor und senkte seine Stimme. »Vertrauen zum Beispiel, langjährige Freundschaft, Diskretion und …«
    Er brach ab, als die Tür aufgestoßen wurde und Thomas aufgeregt hereinstürzte. Thomas Dressler war der Sohn eines Geschäftspartners und machte eine Art Lehre in der Bank. Leider hatte er nicht viel im Kopf, konnte nicht rechnen und besaß keinerlei Gespür für Geld, aber Albert duldete ihn und übertrug ihm, da sonst nichts mit ihm anzufangen war, diverse Botengänge. Sein Vater wäre sicher unzufrieden über diese minderwertigen Aufgaben gewesen, aber Thomas beschwerte sich nicht, sondern zeigte trotz seiner Beschränktheit den Eifer, immer alle Aufträge sofort zu erledigen. Dass Albert ihm nun schon mehrmals erklärt hatte, wie wichtig es war, Prioritäten zu setzen und zwischen mehr und weniger dringenden Aufgaben zu unterscheiden, hatte leider keine Früchte getragen.
    Wahrscheinlich störte er ihn auch jetzt grundlos, wobei die Möglichkeit, dass er eine neue Hiobsbotschaft überbrachte, nicht ganz von der Hand zu weisen war.
    Albert hatte in den letzten Jahren das Bankhaus Gothmann bedächtig durch alle Krisen gelenkt und konnte nun Erfolge feiern, doch Frankfurt machte unruhige Zeiten durch. Im letzten Sommer war es während des österreichisch-preußischen Krieges von den Preußen

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