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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Mord an ihrer Familie.
    Heute aber war er des steten Zwangs zur Täuschung und Selbstverleugnung überdrüssig.
    »Was hat dich so hart gemacht?«, fragte er unwillkürlich. »Rührt sie dich denn so gar nicht?«
    Er sah kurz Sehnsucht in Pablos Gesicht aufblitzen – Sehnsucht nach jenen Zeiten, da er um Frauen noch gebuhlt und sie nicht entführt hatte, da er noch von einer eigenen Familie geträumt hatte, nicht vom Krieg, und da er seine körperlichen Kräfte noch genutzt hatte, um Getreide anzubauen, nicht um Frauen zu schlagen. Valentín ahnte, dass auch in ihm Überdruss hochstieg, doch anders als er konnte der Bruder leichter alle verräterischen Zweifel unterdrücken.
    »Womit genau hat sie dir eigentlich so den Kopf verdreht? Die Weiber der Banda Oriental sind doch nicht annähernd so schön wie die von Paraguay. Wer, der nicht sein Hirn in der Hose trüge, könnte von ihnen verführt werden?«
    Valentín ahnte, dass es besser wäre, zu schweigen, aber er konnte es nicht. Etwas brodelte in ihm, was endlich hinausmusste. Er ballte seine Hände zur Faust. »Sie hat mich zu nichts verführt!«, begehrte er auf. »Du magst vielleicht verlernt haben, Mitleid zu haben, ich nicht.«
    »Tu doch nicht so, als wolltest du sie aus Mitleid freilassen. Gib zu – sie gefällt dir, sie rührt dein Herz.«
    Pablo stampfte auf dem Boden auf, als könnte er dieses Herz zertreten. Sein eigenes war wohl längst zu Stein geworden.
    »Was ist so schlimm daran, etwas zu fühlen?«, fragte Valentín leise.
    »Du streitest es also nicht ab?« Pablo spuckte verächtlich aus. »Ich habe es immer geahnt, dass du ein Feigling bist – und ein Wendehals. Reichen ein paar schmachtende Blicke tatsächlich, um dir den Kopf zu verdrehen?«
    »Sie musste mir nicht den Kopf verdrehen, um einzusehen, dass es sinnlos ist.«
    »Was ist sinnlos?«
    »Nun, alles«, erklärte Valentín schlicht.
    Pablo mochte verroht sein, trotzdem witterte er seine Zweifel wie ein Hund die Fährte. Schon als Kind musste er gespürt haben, dass er sich oft verstellte, wenngleich er ihn nie zur Rede gestellt hatte. Jetzt aber brach es aus ihm heraus: »Du glaubst nicht mehr an den Krieg, nicht wahr? Letztlich hast du nie daran geglaubt, sondern lieber deine verdammten Bücher gelesen.«
    Valentín versuchte nicht einmal, es zu leugnen. »Ich habe immerhin an deiner Seite gekämpft«, erwiderte er lediglich.
    »Warum willst du dann nicht einsehen, dass wir weiterkämpfen müssen? Wir waren doch so erfolgreich – denk an die ersten Jahre. Unser Heer war so viel größer; schnell hat es Provinzen in Brasilien und Argentinien besetzt.«
    Valentín schüttelte den Kopf. Alle Zweifel, die er so lange unterdrückt hatte, brachen aus ihm hervor. »Du willst es nicht begreifen. Der entscheidende Faktor für das künftige Kriegsglück ist nicht, wie viele Soldaten zur Verfügung stehen, sondern auf welche Reserven die Kriegsparteien zurückgreifen können. Gewiss, die Heere unserer Feinde sind kleiner – doch nur fürs Erste. Im Notfall können sie viel mehr Männer mobilisieren als wir. Wie viele Männer zählt unser Land, einhunderttausend, hundertfünfzigtausend? In jedem Fall sind das zu wenige. Und ließe man alle Alten und Kinder, ja selbst unsere Hunde kämpfen – wir stehen einer Übermacht gegenüber, die wir nie bezwingen können.«
    Pablo funkelte ihn wütend an. »Hör auf mit diesem Schwachsinn!«
    »Warum?«, schrie Valentín. »Du wirfst mir vor, sie hätte mir den Kopf verdreht, aber in Wahrheit bist du es, der seinen Verstand nicht benutzen will. Wenn du es tätest, würdest du längst einsehen, dass ein Land nicht an drei Fronten Krieg führen kann. Wir haben die schlechteren Waffen, wir haben keine Unterstützung aus Europa, wir können kaum für Nachschub sorgen!«
    »Aber wir haben einen festen Willen. Die anderen Länder sind müde, warum sonst würden im Moment die Waffen ruhen?«
    »Sie brauchten eine Atempause, um neue Kräfte zu sammeln. Schon in wenigen Wochen, spätestens in einigen Monaten wird die Allianz erneut angreifen. Und dann? Wir können noch so viele Waffen stehlen und meinetwegen die de la Vegas’ erpressen, noch mehr herauszurücken. Es werden doch immer zu wenige Waffen sein – und hätten wir Hunderte Töchter Uruguays in unserer Gewalt.«
    Pablos Gesicht war rot angelaufen. »Was willst du eigentlich damit sagen? Dass der Krieg verloren ist? Dass unsere Eltern, unsere Schwestern umsonst gestorben sind?« Seine Stimme

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