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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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zu nicken, doch heute deutete der auf das Stück Brot mit Butter, das Albert immer noch in der Hand hielt, anstatt endlich ein Stück abzubeißen. Die geschmolzene Butter troff über seine Finger.
    »Haben Sie Sorgen?«, erkundigte sich Rufus.
    Albert schwieg; er hatte mit dem Briten noch nie über Persönliches geredet, doch kurz schien es verlockend, ihm alles anzuvertrauen. Rufus Smith war zwar ein denkbar schlechter Gesprächspartner, aber er wäre dann nicht mehr alleine mit seinen Gedanken gewesen – den Gedanken an Rosa de la Vegas. Dennoch verwarf er die Idee wieder. Rufus Smith hätte nie und nimmer nachvollziehen können, warum ihn das Schicksal eines einheimischen Frauenzimmers derart beschäftigte.
    Gestern war eine dunkelhäutige Frau im Hotel aufgetaucht, hatte sich als Esperanza vorgestellt und einen Brief von Rosa überbracht. Darin entschuldigte sie sich für das Auftreten ihres Bruders und beklagte erneut, dass sie sich nur darum ganz alleine in der Stadt herumgetrieben hatte, weil sie einer erzwungenen Ehe zu entgehen versuchte. Die Zeilen waren nüchtern formuliert, doch Albert hörte die Hilfeschreie, die sich dahinter verbargen, und die stürzten ihn in Verzweiflung. Er hatte keine Ahnung, wie er ihr helfen könnte, und genauso wenig, wie er sie sich aus seinem Kopf schlagen sollte.
    Rufus Smith bedrängte ihn nicht, ihm seine Gedanken anzuvertrauen, sondern fuhr fort: »Die Menschen hier sind ja unzivilisiertes Pack. Und äußerst roh. Gut, in der Banda Oriental gibt es keine Sklaven mehr – in Brasilien jedoch umso mehr. Sie werden wie Tiere behandelt, weil ihre Besitzer selbst kaum etwas anderes als Tiere sind. Natürlich frage ich mich: Warum ihnen mühsam die Menschenrechte in den Schädel hämmern? Ist es etwa unser Problem? Soll Brasilien ruhig seine Sklaven halten – wichtig ist doch nur, dass es sich aus Uruguay heraushält und das Land ein Pufferstaat bleibt. Dann ist es uns am nützlichsten. Und meinetwegen kann Spanien noch ewig zögern, die Unabhängigkeit von Uruguay anzuerkennen. Im Grunde gereicht uns das zum Vorteil: Solange diese Feindschaft mit Spanien besteht, werden sie keinen Handel mit dem einstigen Mutterland treiben – und wir haben alles in der Hand.«
    Er lachte, als wären die langen Jahre der Unabhängigkeitskriege ein großer Spaß.
    Albert nickte geistesabwesend, während seine Gedanken abermals abschweiften. Zu seinem Erstaunen hatte er nicht nur von Rosa einen Brief erhalten, sondern auch von ihrem Bruder Julio. So rüde der ihn auch behandelt hatte, zeigte er sich nun sehr an gemeinsamen Geschäften interessiert und lud ihn sogar zum Abendessen ein. Albert war unsicher, wie er darauf reagieren sollte. Zwar war es das Ziel dieser Reise, in den Kolonialhandel einzusteigen und seine Kontakte nicht nur auf Engländer zu beschränken, aber er fühlte sich noch nicht ausreichend gerüstet, konkrete Geschäfte abzuschließen – umso mehr, wenn seine Gefühle womöglich seinen Verstand blockierten.
    Allerdings – noch unerträglicher als die Vorstellung, falsche Entscheidungen zu treffen, war die, gar nichts erst versucht zu haben. Albert stopfte sich das Butterbrot in den Mund und beugte sich entschlossen vor.
    »Sagen Sie«, setzte er unwillkürlich an, »Sie kennen doch bestimmt die Familie de la Vegas. Ich habe kürzlich ihre Bekanntschaft gemacht, und ich frage mich, inwiefern ich als deutscher Privatbankier für sie interessant sein könnte.«
    Rufus Smith wirkte kurz irritiert über die Unterbrechung, aber dann erschien wieder sein übliches dreistes Grinsen im Gesicht. Er fand es offensichtlich schmeichelhaft, dass Albert ihn um Rat fragte. »Sie stammen aus Frankfurt, nicht wahr?«
    »Ja, aber ich habe die Stadt vor einigen Jahren verlassen und in London ein Praktikum gemacht. Darum bin ich überhaupt erst auf die Idee gekommen, nach Montevideo zu reisen. In Deutschland kennt man diese Stadt so gut wie gar nicht.«
    »Aha, und deshalb sprechen Sie dieses grauenhafte Englisch.« Rufus grinste noch breiter.
    Albert unterdrückte seine Wut. Er hatte sich immerhin die Mühe gemacht, Fremdsprachen zu lernen – sowohl Englisch als auch Spanisch. Rufus dagegen beherrschte nur seine Muttersprache.
    »Nun«, fuhr Rufus fort, »in Frankfurt gibt es meines Wissens einen regen Handel mit englischen Waren aus den Kolonien, Kattun und Schafwollgewebe, Indigo, Kaffee, Tabak und Wein. Bis jetzt sind dort vor allem englische Zwischenhändler tätig – und die

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