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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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ausgelegt – viel prächtigere, als er bisher hier gesehen hatte. Sein Hotelzimmer war nur mit chinesischen Matten belegt.
    Ein Dutzend mit Seidendamast überzogene Stühle stand zusammen mit zwei ebensolchen Lehnstühlen und Sofas um einen Mitteltisch mit Marmorplatte. Zwei goldgerahmte Spiegel schmückten die Wände zwischen zwei Glasschränken für allerlei Tand, im hinteren Teil des Raumes nahm er ein Piano wahr.
    Wieder hielt er unauffällig nach Rosa Ausschau, aber an ihrer statt trat ihm ein älterer Mann entgegen, dem rechts und links zwei Frauen folgten. Sie achteten sorgsam darauf, ein paar Schritte Abstand und den Kopf gesenkt zu halten. Alejandro de la Vegas war ein Ebenbild von Julio, nur dass seine Haut gegerbter war, sein Haar grauer und seine Haltung starrer. Anders als sein anbiedernder Sohn wirkte er stolz, fast ein wenig mürrisch. Die beiden Frauen waren wohl seine Schwestern, doch obwohl sie sich mit den trippelnden Schritten und der geduckten Haltung schüchtern gaben, waren die verstohlenen Blicke, die sie Albert zuwarfen, prüfend: Eine betrachtete ihn mit einem Hauch Wohlwollen, die andere mit Verachtung. Aufgeregt wirkten sie beide – offenbar kam es nicht oft vor, dass Fremde zum Abendessen geladen wurden.
    Julio trat auf seinen Vater zu. »Das ist der Deutsche, von dem ich dir erzählt habe«, erklärte er.
    Alejandro de la Vegas’ Gesichtsausdruck wurde misstrauisch. »Sie sind also Kaufmann«, begann er gedehnt.
    »Genau betrachtet, bin ich Bankier. Aber es stimmt, ich bin hierhergekommen, um Handel zu treiben.«
    Während Alejandro ihn musterte, erfüllte angespanntes Schweigen den Raum. Julio war ein wenig zurückgetreten, und Albert fühlte sich mit jedem Augenblick, der verrann, hilfloser, doch schließlich erklärte eine der älteren Frauen resolut: »Um Geschäfte zu schließen, gilt es, den Magen zu füllen. Ich darf Sie zu Tisch bitten.«
    Alejandro sagte kein Wort, nickte jedoch widerwillig.
    Vom großen Saal aus erreichten sie den Speisesaal mit einer dunklen Tafel, und hier sah Albert Rosa endlich wieder. Sie schien schon länger zu warten und unruhig auf und ab zu gehen, doch als ihre Familie den Raum betrat, blieb sie stehen und senkte sittsam den Blick. Als Julio ihr Albert vorstellte, tat sie so, als ließe er sie völlig kalt.
    Natürlich, ging es Albert durch den Kopf, sie darf nicht zugeben, mich zu kennen.
    Dennoch war er ein wenig enttäuscht, weil er sich so sehr nach einem Lächeln sehnte.
    Immerhin, als Orfelia de la Vegas ihn zu seinem Platz führte, sah sie hastig hoch und zwinkerte ihm vertraulich zu. Da waren sie wieder – dieses Feuer in den Augen, diese so ansteckende Lebenslust!
    Alberts Herz pochte schneller. Er hatte zwar immer noch keine Ahnung, wie er ihr helfen konnte, aber die Welt schien kurz stillzustehen.
    Viel zu bald wurde ihr Gesicht wieder ausdruckslos. Alle widmeten sich dem Essen, das großteils schweigend verlief und aus Fainá mit Schafskäse als Vorspeise bestand – dünne Fladen aus Kichererbsenmehl –, Lomo de ternera in Pfeffersauce und Ñoquis als Hauptspeise – Kalbsfilet mit Kartoffelnudeln – und Anisbiskuit als Dessert. Alejandro ignorierte den Gast weitgehend und warf ihm nur dann und wann einen kurzen Blick zu. Julio dagegen war weniger wortscheu. Ähnlich wie er vorhin das Haus der de la Vegas’ gerühmt hatte, begann er nun, ein Loblied auf das Essen zu singen: »Sie müssen zugeben, das Fleisch ist ausgezeichnet, und auch die Butter ist von bester Qualität. Und ich bin mir sicher, dass die Engländer keinen besseren Käse machen. Gewiss, der Weizen kommt aus Nordamerika, er wird hierzulande kaum angebaut. Aber unser Bäcker versteht es, daraus vorzügliches Brot zu backen.«
    Das konnte Albert nicht leugnen, obwohl ihm diese Prahlerei übertrieben schien. Er nickte hastig und lächelte schmallippig.
    Julio beugte sich vor. »Und trinken Sie noch ein Gläschen Wein. Ich habe extra französische Rotweine servieren lassen, Château Margaux und Château Yquem. Als Europäer und somit als wahrer Kenner wissen Sie das sicher zu schätzen, obwohl ich Ihnen ganz ehrlich sagen muss: Die Weine und Schnäpse aus Mendoza sind diesen nicht unterlegen.« Er machte eine kurze Pause, ehe er laut und vernehmlich hinzufügte: »Nicht wahr, Vater?«
    Alejandro räusperte sich. Ihm fehlte der Sinn für gutes Essen ebenso wie die Bereitschaft, um Alberts Respekt zu buhlen. Immerhin musterte er ihn erstmals mit gebührender

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