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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Böhmen.«
    Rosa wurde es immer langweiliger, ihm zuzuhören. »Julio, ich will Ricardo wirklich nicht heiraten. Er ist doch viel zu alt.«
    Diesmal verwies ihr Bruder sie nicht auf ihre Gehorsamspflicht gegenüber dem Vater, sondern blickte sie nur nachdenklich an. »Nun, wenn ich ehrlich bin, halte ich es auch für keine so gute Idee«, begann er gedehnt. »Ricardo gehört zur alten Schule – er erkennt die Zeichen der Zeit einfach nicht. Seinesgleichen fällt nichts Besseres ein, als Tierhäute und Pökelfleisch zu verkaufen. Das ist zwar ein ganz nettes Geschäft, aber auch da werden die Engländer bald die Nase vorne haben, denn sie haben längst erkannt, dass es ein billiges Essen für die Arbeiter in den Kaffeeplantagen von Brasilien abgibt. Der Export läuft vielversprechend an. Wie auch immer, wir sollten stärker die neuen Möglichkeiten des Freihandels nutzen und …«
    »Julio, kannst du nicht mit Vater reden?«, unterbrach sie ihn, denn sie wollte nicht schon wieder endlos lange Reden über Geschäfte hören.
    »Albert Gothmann hieß der Mann also«, murmelte Julio. »Weißt du, in welchem Hotel er wohnt?«
    »Nein.«
    »Nun, das müsste herauszufinden sein.«
    Rosa verstand nicht, warum er das wissen wollte. »Kannst du nun mit Vater reden, damit ich Ricardo nicht heiraten muss?«
    Julio lächelte bedeutungsvoll. »Nein, ich habe eine viel bessere Idee.«

3. Kapitel
    Z wei Tage später aß Albert im Hotel mit einem Engländer zu Abend. Gute Gasthäuser waren nicht leicht zu finden, aber das Hotel de Comercio und das Hotel Paris waren ihm schon auf der Reise empfohlen worden. Die anderthalb Pesos, die für einen Tag zu zahlen waren, schlossen Zimmer und Verköstigung ein. Besonders dankbar war er für sein Einbettzimmer – er hatte gehört, dass dies in vielen südamerikanischen Ländern geradezu ein Ding der Unmöglichkeit war und man nicht nur den Schlafraum, ja sogar das Bett mit anderen teilen musste.
    Eben schmierte er sich Butter aufs Brot – auch das war eine rare Kostbarkeit: Hierzulande aß man an ihrer statt meist eine Mischung aus Rindertalg und Kürbis, die Albert ekelhaft fand. Er konnte nicht verstehen, wie man dergleichen freiwillig aß, aber es gab so vieles, das er nicht verstand, so auch, dass man Knochen und Hufe als Brennstoff verwendete.
    Rufus Smith, der ihm gegenüber Platz genommen hatte, sparte nicht an der Butter und legte die typische Blasiertheit seiner Landsleute an den Tag, die Albert eigentlich abstieß. Dennoch hatte er sich mit ihm angefreundet, weil Rufus Smith sich gerne reden hörte – im Übrigen mit einem arroganten Unterton, als würde niemand die Welt so gut verstehen und deuten können wie er – und Albert von keinem so viel über Land und Leute erfahren hatte wie von ihm.
    »Die Argentinier toben, weil sie Montevideo einfach nicht in die Knie zwingen können«, spottete Rufus nun. »Dass eine gewaltsame Belagerung zu nichts führt, hätten wir ihnen eigentlich gleich prophezeien können.«
    Albert musste unwillkürlich an seine Begegnung mit den Blancos denken. Es gruselte ihn immer noch bei der Vorstellung, was passiert wäre, wenn er und Rosa nicht rechtzeitig geflohen wären.
    »Wir selbst haben schließlich den Beweis erbracht, dass man in dieser Region nicht mit Gewalt zu Herren aufsteigt, sondern mit Geld«, fuhr Rufus fort.
    Er nutzte immer die Wir-Form, sobald es um die Leistungen der Engländer ging, als wäre er bei allem persönlich zugegen gewesen – ob bei der Entscheidung, sich verstärkt in Lateinamerika zu engagieren, oder beim Versuch des englischen Heers, Argentinien zu besetzen – worin es gnadenlos gescheitert war und man daraus die Lektion gezogen hatte, künftig militärische Auseinandersetzungen zu meiden. So peinlich die damalige Niederlage auch gewesen war, hatte die britische Besatzung von der La-Plata-Mündung lang anhaltende Folgen. In jener Zeit waren britische Waren in Montevideo zollfrei angeboten worden, und seit damals sehnte man sich hierzulande nach dem Freihandel. Und als er schließlich entgegen den Interessen des spanischen Mutterlands durchgesetzt wurde, waren Londoner Kaufleute die ersten und wichtigsten Geschäftspartner geworden.
    »Sie sehen das auch so, oder?«, fragte Rufus forsch.
    Albert zuckte zusammen. Er hatte die letzten Worte nicht gehört, weil er in Gedanken versunken war, nickte nun aber schnell: »Natürlich.« Für gewöhnlich reichte es, Rufus Smith dann und wann Stichworte zu liefern oder

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