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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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scheinbar hatte die weite Reise nicht an ihm gezehrt, sondern ihn beflügelt –, und Adele empfand fast ein wenig Neid, vor allem aber Genugtuung, als er erblasste. Doch im nächsten Augenblick wurde sie blind für ihren Sohn.
    Albert war nicht alleine gekommen. Nicht weit von ihm stand – starr wie eine Statue – eine alte Frau mit gefurchtem Gesicht, schwarzen Augen, in denen man sich verlieren konnte, und feisten Händen. Und dann war da eine zweite Frau, die unruhig auf und ab ging und neugierig den Eingangsbereich betrachtete, wobei sie eigentlich nicht ging, sondern hüpfte. Sie war viel jünger als die andere, hatte ebenfalls schwarze Augen – funkelnde, nicht abgründige –, und ihr Gesicht war nicht gefurcht, sondern glatt. Obwohl ihr die noble Blässe fehlte, wirkte sie nicht gewöhnlich, sondern wunderschön.
    Das bin ich auch einst gewesen, dachte Adele plötzlich, schöner als Gerda, schöner selbst als die Statue von Gerda.
    Die Schönheit der jungen Frau allein setzte ihr nicht zu. Ungleich schlimmer war es, dass sie so lebendig wirkte, so gesund.
    Was hatte eine gesunde, lebendige Frau hier verloren?
    Sie blickte Albert fragend an, doch der war von der Nachricht zu tief betroffen, um zu antworten. Adele war sich nicht sicher, was ihn mehr schockierte – dass der Vater tot war oder dass er die Bank erbte. In jedem Fall stellte sich die junge Frau selbst vor.
    »Ich bin Rosa de la Vegas, Alberts Frau.«
    Je länger Adele Gothmann ihre neue Schwiegertochter betrachtete, desto kränker fühlte sie sich. Neuer Schwindel überkam sie, und ihre Hände wurden plötzlich ganz taub.
    Ich muss Doktor Haubusch noch einmal kommen lassen, überlegte sie.
    Sie versteifte sich unwillkürlich; die Anwesenheit dieser Frau erschien ihr nahezu bedrohlich. Je rosiger deren Wangen waren, desto bleicher mussten ihre wirken.
    Nun, auch Albert war bleich, nachdem er die Schreckensnachricht vernommen hatte, aber eben fasste er sich wieder. »Ich weiß, die Heirat kommt sehr überraschend … Aber Rosa stammt aus einer einflussreichen Familie Montevideos.«
    Adeles Blick ging wieder zu der alten Frau an Rosas Seite.
    »Das ist Esperanza … die Dienerin meiner verstorbenen Mutter.«
    Rosa sagte das – zumindest glaubte Adele, dass sie das sagen wollte. Ganz sicher war sie sich nicht, sprach die andere doch mit fremd klingendem Akzent. Natürlich, sie musste Deutsch erst lernen, sie war ja Spanierin. Ob alle Spanierinnen so gesund waren?
    Ihr Blick wanderte zu Albert, der seinerseits seine Frau musterte – trotz des Schocks sehr liebevoll und bewundernd. So hatte sie Albert noch nie gesehen, vielmehr immer vermutet, er käme nach seinem gefühlskalten Vater. Nun, vielleicht hätte auch Albert Gothmann senior eine Frau lieben können – eine Frau, die nichts mit ihr gemein hatte, eine wie Rosa, gesund, lebendig, warmherzig.
    Sie brachte immer noch kein weiteres Wort hervor. Gottlob war Carl-Theodor ihr nach unten gefolgt.
    »Du hast geheiratet, einfach so?«, fragte er verblüfft.
    »Das ist eine längere Geschichte. Die de la Vegas’ sind eine Kaufmannsfamilie – und unsere künftigen Handelspartner. Zumindest wollte ich Vater das vorschlagen …« Er schüttelte den Kopf. »Wie ist das nur möglich, dass er so plötzlich gestorben ist, er war doch immer gesund?«
    Ja, dachte Adele mit leiser Schadenfreude, er war immer gesünder als ich, und ist dennoch als Erster gestorben.
    Und diese Rosa mochte jetzt noch gesünder und frischer und fröhlicher als sie sein, aber an Alberts Seite und in diesem Haus würde sie vielleicht irgendwann auch nur noch ein Schatten ihrer selbst sein.
    In diesem Moment trat die neue Schwiegertochter auf sie zu und nahm ihre Hand. »Es tut mir schrecklich leid, dass Sie Ihren Mann verloren haben. Was für eine Tragödie, Sie müssen völlig zerstört sein.«
    Adele setzte die zarte Berührung ungleich mehr zu als die Witwenschaft. Rasch entzog sie sich der Schwiegertochter, doch ehe sie ihre Ablehnung ganz offen zeigen konnte, ertönte eine Stimme von oben.
    »Was höre ich – Albert ist verheiratet?«
    Antonie stand dort oben an das Treppengeländer gelehnt, grazil und elegant wie immer. Das Kleid, das sie aufgrund der Trauer trug, stand ihr vorzüglich. Es betonte ihre dunklen Augen und die weiße Haut – und unterstrich ihre Arroganz.
    Albert trat zu Rosa und zog sie von seiner Mutter fort. »Das ist mein jüngerer Bruder Carl-Theodor, von dem ich dir erzählt habe. Und

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