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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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war. Albert Gothmann junior. Frankfurter Bankier. Kein Bankier der alten Schule. Sondern der neuen Zeit.
    Die Last wog nun etwas leichter, fiebrige Aufregung erfasste ihn, noch war der Geist des Vaters präsent, aber er würde ihn vertreiben. Energisch öffnete er die Geschäftsbücher, überflog die Zahlen – und genoss es. Niemand würde ihm verbieten, sie zu studieren – niemand reinreden, wenn es galt, noch mehr Gewinn zu machen.
    »Deine junge Frau ist sehr schön«, sagte Carl-Theodor.
    »Ja«, murmelte Albert abwesend.
    »Und so erfrischend lebendig.«
    »Ja.«
    Der Bruder sagte noch etwas, aber mittlerweile war Albert so in die Bücher vertieft, dass er gar nicht mehr hinhörte.

5. Kapitel
    J eden Tag verließ Albert frühmorgens das Haus, und Rosa bedauerte es, dass er nicht da war, wenn sie erwachte. Meist wusste sie kurz nicht, wo sie sich befand, fühlte sich fremd und unsicher und konnte sich erst ein wenig entspannen, wenn Espe ihr das Frühstück ans Bett brachte. Die anderen Dienstboten behandelten sie mit einer gewissen Scheu, und auch die Familienmitglieder schienen sie zu meiden: Adele fühlte sich meist nicht wohl und blieb den ganzen Tag über im Bett. Antonie, ihre französische Schwägerin, betrachtete sie manchmal mit diesem eigentümlichen Lächeln, hielt sich ansonsten von ihr fern – was Rosa insgeheim nur recht war, so unbehaglich wie sie sich in der Gegenwart dieser rätselhaften Frau fühlte. Carl-Theodor wiederum war ausnehmend nett, und sie mochte ihn auf Anhieb, aber wie Albert war auch er meist nicht da.
    Sie hatte keine Ahnung, welche Geschäfte die Brüder genau betrieben und was Albert im Bankhaus zu tun hatte, das er von seinem Vater geerbt hatte, fragte jedoch nicht nach, weil sie nicht als unwissend gelten wollte. Sie war froh, dass Albert meist schon am frühen Nachmittag zurückkehrte, um trotz der vielen Arbeit, die nach dem Tod seines Vaters anfiel, jeden Tag zumindest einige Stunden mit Rosa zu verbringen.
    Er nutzte diese Zeit, um ihr seine Heimatstadt Frankfurt zu zeigen und ihr wie schon während der Schifffahrt viel darüber zu erzählen. Damals war Rosa noch überzeugt gewesen, dass sie nicht lange in dieser Stadt verweilen, sondern viele Reisen unternehmen würden, und hatte sich kaum dafür interessiert. Jetzt gefiel sie ihr zwar ausnehmend gut, war sie doch so viel sauberer und gepflegter als Montevideo, doch Alberts ausschweifende Erklärungen verstand sie großteils nicht. Weder wusste sie, wer oder was der Wiener Kongress war, auf dessen Beschluss hin Frankfurt eine Freie Stadt geworden war, noch, was es bedeutete, dass diese Stadt Klassizismus und Natur gut vereinte. Ihr war schleierhaft, warum man so komplizierte Begriffe verwendete – war es nicht viel einfacher zu sagen, dass die weißen, pistaziengrün und rosa angemalten Häuser schön anzusehen waren, wie vornehm die Villen zwischen gepflegten Gärten und an breiten Promenaden wirkten und dass es ein Gefühl von Freiheit schenkte, wenn man in der Ferne den Main glitzern sah? Sie liebte die Spaziergänge an der Uferpromenade, und wenn die vorüberfahrenden Schiffer den Passanten muntere Grüße zuriefen, dann erwiderte sie sie aus Leibeskräften, obwohl sie dafür von Albert skeptische Blicke erntete.
    Waren sie müde von der frischen Luft, kehrten sie meist in der Mainlust ein – einem beliebten Kaffeegarten, wo man auch zu Abend aß und von wo man einen guten Blick auf die Flusslandschaft mit dem Stadtwald im Hintergrund hatte.
    Natürlich flanierten sie auch die Zeil auf und ab – eine breite Geschäftsstraße, wo sich Dinge des täglichen Bedarfs ebenso kaufen ließen wie ausgefallene Luxuswaren.
    Obwohl Rosa sich am liebsten im Freien aufhielt, widerstand sie Alberts Drängen nicht, dann und wann auch ein Museum aufzusuchen, so das Städelsche Kunstinstitut, wo man eine Fülle von Gemälden betrachten konnte. Auch dazu gab Albert langatmige Erklärungen ab und nannte stets die Namen der offenbar berühmten Maler. Rosa hatte von keinem von ihnen je gehört, aber hier in Frankfurt waren sie anscheinend allen bekannt, und so nickte sie verständig, um sie später gleich wieder zu vergessen.
    Sie strömten wie so viele Besucher der Stadt zu Danneckers Ariadne, einer marmornen, auf einen Panther hingegossenen Schönheit, für die Baron Bethmann eigens ein Museum hatte bauen lassen, und besichtigten den Dom, die Krone der Stadt. Obwohl der Turm noch unvollendet war, konnte man ihn besteigen und

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