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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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seiner oft so kranken Mutter Adele. Er konnte seinem Bruder Carl-Theodor aus dem Weg gehen, seiner französischen Schwägerin Antonie …
    Wie wohl deren Urteil über Rosa ausfallen würde?
    Er küsste sie erneut, wenngleich nur auf die Wangen.
    Rosa kuschelte sich an ihn, was einerseits angenehm war, zugleich aber schmerzhaft, trieben sich ihre Nägel doch tief in sein Fleisch, gleich so, als klammerte sich eine Ertrinkende an ihm fest, die nur er allein retten könnte. Kurz ging ihm durch den Sinn: Wie soll ich sie denn retten, wenn sie mich derart festhält, dass ich mich kaum rühren kann?
    Doch dann dachte er: Ich bin ein glücklicher Mann. Ja, ganz gleich, was alle anderen sagen werden – ich bin ein sehr glücklicher Mann.

4. Kapitel
    A dele Gothmann fühlte sich einmal mehr sehr krank.
    Der Hausarzt, Doktor Haubusch, war bereits hier gewesen, aber wie so oft hatte er ihr nicht helfen können. »Es ist sicher der Schock«, hatte er diagnostiziert. »Nach allem, was Sie durchstehen mussten, ist es nicht erstaunlich, dass Sie sich elend fühlen.«
    Adele wusste, dass er unrecht hatte. Sie war schon lange vor der Tragödie krank gewesen. Eigentlich hatte sie sich, solange sie denken konnte, stets unwohl gefühlt. Es war erstaunlich, dass sie heute noch lebte, während er …
    Sie seufzte. Sie war immer überzeugt gewesen, dass sie jung sterben würde – genauso wie ihre Schwester Gerda, die nur wenige Monate nach ihrer Heirat eine Fehlgeburt erlitten hatte und kurze Zeit später am Fieber hingeschieden war. Ihr Mann hatte daraufhin einen riesigen Sarkophag bauen lassen: Er zeigte eine junge Frau, die auf einem Bett aus Blumen lag, von Rosen gekrönt und von einem Engel bewacht. Als Steinstatue war Gerda viel schöner als zu Lebzeiten. Ihre Nase war nicht breit und lang, sondern schmal und spitz, die Lippen nicht dünn, sondern voll, die Haare nicht glatt, sondern gelockt. »Für immer geliebt« stand auf der Inschrift des Grabes, und das war die zweite Lüge. Adele fand zwar, dass das sehr romantisch klang, aber sie war nicht überrascht, dass Gerdas Mann bald wieder heiratete – diesmal eine Frau, die ihm Kinder gebären konnte.
    Manchmal fragte sich Adele, ob Gerda es nicht besser getroffen hatte, und sehnte sich insgeheim, selbst unter einem solchen Steinsarkophag zu liegen. Aber zu ihrem Erstaunen hatte sie selbst gesunde Söhne geboren – und Albert Gothmann senior, ihr Gatte, hatte das nicht als besondere Gnade, sondern als Selbstverständlichkeit hingenommen. Wenn sie bei der Geburt oder schon zuvor gestorben wäre, hätte er sich einige Tage lang sehr mürrisch gezeigt, ganz sicher aber keinen Steinsarkophag bauen lassen, schon gar nicht mit der Inschrift: »Für immer geliebt«.
    Auch Adele war sich nicht sicher, ob sie ihren Gatten je geliebt hatte – falls ja, war es zu spät, es ihm zu beteuern. Falls nicht, dann müsste sie sich jetzt eigentlich besser fühlen, nicht so schrecklich niedergeschlagen.
    Sie läutete nach Frau Lore, der treuen Haushälterin der Gothmanns. Diese kam sofort und schien wenig überrascht, dass sie Adele im Bett liegen sah. Nach dem Unglück rechnete niemand damit, dass sie aufstand.
    »Soll ich die Vorhänge zuziehen?«
    Adele schüttelte den Kopf. »Ich hasse es, wenn es finster ist.«
    Schon als Kind hatte sie die Dunkelheit gefürchtet – vielleicht war es doch nicht erstrebenswert, in einem Steinsarkophag zu liegen. Allerdings merkten die Toten nichts mehr. Auch Albert, ihr Mann, würde nie wieder etwas fühlen. Hatte er jemals in seinem Leben etwas gefühlt?
    »Ich glaube, ich brauche einen Einlauf«, erklärte Adele.
    Frau Lore musterte sie aufmerksam: »Leiden Sie an Verstopfung?«
    Adele war sich nicht sicher und zuckte die Schultern. Sie hatte sich so oft gegen Verstopfung behandeln lassen – mit Aderlass, Schröpfen oder einem Trunk aus Bittersalz, aber sie hatte sich danach nie besser gefühlt.
    »Ich kann Ihnen einen Tee machen – mit Kalmuswurzel, Wermut und Pfefferminzkraut. Das ist gut gegen Übelkeit.«
    Adele war nicht übel, und Frau Lore wusste das auch – aber sie kannte die Bedürfnisse der Hausherrin nur allzu gut: Oft genügte es, diverse Behandlungsmethoden laut zu besprechen, anstatt sie anzuwenden.
    »Faulbaumrindentee würde gegen Hartleibigkeit helfen«, fuhr sie fort, »ebenso ein Enzianaufguss. Sie könnten eine Mundspülung mit Salbei machen, etwas Eibischtee gegen den Husten zu sich nehmen oder Biersuppe, in die man eine

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