Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
zustande gebracht.« Nun verzog kein freundliches Lächeln mehr ihre Lippen; in ihrer Miene war nur blanke Verachtung zu lesen.
    »Aber du hast doch gesagt …«
    »Ganz gleich, was man dir sagt«, fiel sie ihr ins Wort, »warum hast du nicht deinen Verstand benutzt und meinen Ratschlag hinterfragt? Warum bist du so vertrauensselig? Oh, ich weiß, du bist eines von den Weibchen, die mit süßem Lächeln und bitteren Tränen ihre Männer bezirzen. Doch damit machst du dir hier keine Freunde.«
    »Aber …«
    »Wenn du ein bisschen aufmerksam und verständig wärst, hättest du schnell herausgefunden, dass die Damen Frankfurts zu den emanzipiertesten in allen deutschen Landen zählen.«
    Rosa hatte keine Ahnung, was emanzipiert bedeutete, und wollte sich nicht die Blöße geben, nachzufragen. Aber Antonie war ihr verständnisloser Blick ohnehin nicht entgangen: »Du weißt nicht einmal, was das ist, nicht wahr?«, sagte sie bitter. »Du hast nicht die leiseste Ahnung, dass sich aus der Teestunde bei Clotilde ein politischer Salon entwickelt hat, der selbst die bekannten Salons der Brentanos in den Schatten stellt. Hier wird über Kultur geredet, über Politik, über Naturwissenschaft, nicht über Kleider, Stickereien und Blumen.«
    Rosa starrte sie fassungslos an. »Du hast mich ins offene Messer laufen lassen.«
    Erst als die Worte gesagt waren, merkte sie, dass sie sie geschrien hatte. Schweigen senkte sich über die Gesellschaft, noch mehr befremdete Blicke fielen auf sie, und Rosas Wangen glühten. Spät, viel zu spät eilte Albert an ihre Seite. »Was ist hier los?«, fragte er peinlich berührt.
    Hätte er sie getröstet, hätte sie wenigstens Mitleid in seiner Miene lesen können, sie hätte sich stumm von ihm fortziehen lassen. Doch sein Blick erschien ihr jäh so kalt wie der der spöttischen Frauen.
    »Antonie ist so gemein!«, brach es aus ihr hervor, und sie stampfte auf dem Boden auf. »Sie hat mich glauben lassen, dass …«
    »Lieber Himmel!«, fiel Albert ihr ins Wort. »Hier ist kein Ort, um wie zwei Mägde zu zanken.«
    Rosa war zu aufgewühlt, um sich zur Räson bringen zu lassen. »Sie hat nicht nur mich bloßgestellt, auch meinen Vater … Sie haben gesagt, er wäre Viehhändler und würde die Rinder …«
    »Rosa!«
    Seine Stimme klang wie ein Peitschenknall. Nie hatte er bis jetzt so mit ihr gesprochen.
    »Es ist deine Schuld!«, rief sie verzweifelt. »Du kümmerst dich nie um mich, du bist nie für mich da. Wie soll ich wissen, was ich zu tun habe, wenn du …«
    Ihre Stimme überschlug sich, und da erst hielt sie inne. Mittlerweile war niemandem mehr der Aufruhr entgangen. Auch die Witwen waren näher gekommen – unter ihnen Adele. Kurz glaubte Rosa, ein eigentümliches Lächeln wahrzunehmen, das sie an Antonie erinnerte, doch ehe sie es deuten konnte, kippten Adeles Augen ins Weiße, und sie sank mit einem Seufzen nieder. Die Damen starrten nicht länger spöttisch auf Rosa, sondern stießen entsetzte Schreie aus. Carl-Theodor stürzte zu seiner Mutter und bekam sie gerade noch rechtzeitig zu fassen, ehe ihr Kopf auf den Boden krachte. Auch Albert eilte an ihre Seite.
    Irgendjemand rief erschrocken: »Sie ist ohnmächtig geworden!«
    Keiner achtete mehr auf Rosa, alle ergingen sich in Mitleidsbekundungen für die arme Adele. »Wahrscheinlich hat sie den Tod ihres Gatten noch nicht überwunden.«
    »Riechsalz, wir brauchen Riechsalz!«
    »Diese arme Frau!«
    Hektik brach aus, nur Antonie blieb steif stehen. »Wie gut, wenn man auf Kommando in Ohnmacht fallen kann«, höhnte sie leise.
    Rosa war tief bestürzt. Kurz hatte sie befürchtet, dass ihr Verhalten für den Zusammenbruch der Schwiegermutter verantwortlich war. Doch was Antonie andeutete, war noch schwerer zu ertragen: Demnach spielte die alte Dame ihre Ohnmacht, um von ihrer Schande abzulenken.
    Eben kam Adele wieder zu sich, richtete sich auf und griff sich an den Kopf.
    Rosa fühlte Alberts Blick auf sich ruhen, und er nickte ihr zaghaft zu – offenbar ein Zeichen, dass sie besser nichts mehr sagte. Carl-Theodor sah sie mitleidig an, Antonie zog spöttisch die Braue hoch, und Adele wirkte erstaunlich frisch – und triumphierend.
    Rosa war nicht länger heiß. Sie fröstelte, als sie kehrtmachte und nach draußen floh, wo die Kutschen warteten.
     
    Antonie saß in ihrem Boudoir: Nach der Heimfahrt hatte sie sich sofort zurückgezogen und ausgekleidet und kämmte sich nun mit langsamen Strichen ihr Haar. Sie musste immer

Weitere Kostenlose Bücher