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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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den letzten Stunden gefasst hatte.
    »Ich will unserem Bankhaus eine ganz neue Ausrichtung geben«, begann er eifrig. »Bislang haben wir zu sehr auf den Handel gesetzt, künftig sollten wir der Industrie mehr Augenmerk gönnen.«
    »Bitte?«, fragte sein Bruder verständnislos. Er machte nicht deutlich, ob ihn das Ansinnen an sich verwirrte oder weil Albert es ausgerechnet an einem Tag wie diesem fasste.
    Albert fuhr rasch fort: »Privatbankiers wie wir nehmen im Moment die beherrschende Stellung ein, doch unser Wirkungskreis ist beschränkt.«
    »Ist das im Moment deine größte Sorge?«
    »Wir müssen an die Zukunft denken!«, rief Albert und klang enthusiastisch wie selten. »Noch ist es allein unser Name, der Vertrauen schafft, weil die Verbindungen zwischen uns und den Unternehmern sehr eng sind, von jahrzehntelanger persönlicher Freundschaft bestimmt. Aber das Kapital, das wir einsetzen können, ist beschränkt. Es reicht nicht aus, um größere Vorhaben der Industriellen zu finanzieren. Und irgendwann werden diese sich lieber an diese neumodischen Aktienbanken wenden als an unsereins. Für diesen Fall müssen wir gerüstet sein.«
    Carl-Theodor blickte ihn verständnislos an.
    »Ich dachte, dir wären vor allem die Beziehungen zum Handel so wichtig – darum warst du doch auch in Montevideo. Wohin ich übrigens demnächst aufbrechen werde.«
    »Das ist auch gut und wichtig, aber der Kolonialhandel ist eben nur ein Standbein – das andere ist, wie gesagt, die Industrie, und darum werde ich mich kümmern.« Albert nickte bekräftigend. »Ich werde in den nächsten Wochen viel unterwegs sein.«
    Carl-Theodor begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Das wird Rosa nicht gefallen. Warum bist du nicht bei ihr?«
    Albert blickte starr auf die Tischplatte, und dies verlieh ihm – anders als der Anblick seines Bruders – die Kraft, die Wahrheit einzugestehen. »Sie ist nicht glücklich hier.«
    Carl-Theodor blieb stehen. »Das liegt daran, dass du zu wenig Zeit für sie hast. Ach Albert, bei Antonie hatte ich nie wirklich eine Chance … Vielleicht war gerade das auch der Grund, warum ich um sie gebuhlt habe. Ich habe nun mal eine Schwäche für verlorene Sachen und habe mir eingeredet, dass ich das Herz einer Frau aus Eis gewinnen kann. Aber es ist mir nicht gelungen. Du hingegen, Albert, du hast eine warmherzige, liebevolle Frau, die gerade tief gekränkt ist, an Heimweh leidet und sich einsam fühlt. Du kannst ihr helfen, du kannst sie glücklich machen. Geh zu ihr, ich bitte dich, geh zu ihr!«
    Während er gesprochen hatte, hielt Carl-Theodor den Blick auf den Boden gesenkt. Auch nachdem er geendet hatte, sah er nicht auf, sondern verließ das Arbeitszimmer, ohne Alberts Entgegnung abzuwarten. Der blieb eine Weile sitzen. Unwillkürlich hatte er sich am Schreibtisch festgeklammert, als wäre das ein Rettungsanker. Aber dann gab er sich einen Ruck und erhob sich. Carl-Theodor hat ja recht, sagte er sich, ich trage die Verantwortung für sie, nur meinetwegen hat sie ihre Heimat verlassen …
    Mit jedem Schritt, den er nach oben stieg, vermeinte er, schwerer daran zu schleppen. Auf Zehenspitzen betrat er ihr Schlafzimmer und hoffte, dass sie schon schlief. Als er zu ihrem Bett trat, hielt sie tatsächlich die Augen geschlossen, doch kaum wandte er sich ab, um in sein eigenes Gemach zu gehen, erwachte sie.
    »Albert?«
    »Schlaf weiter«, murmelte er.
    Sie richtete sich auf, sprang aus dem Bett und klammerte sich an ihn.
    »Bleib doch, bleib! Lass mich nicht allein«, jammerte sie. »Bitte, es tut mir alles so leid. Ich habe dich vor allen Leuten bloßgestellt.«
    Albert unterdrückte ein Seufzen. »Das ist doch nicht weiter schlimm. Es gibt so viele Skandale in dieser Stadt – dieser wird bald vergessen sein.«
    Zu seiner Bestürzung sah er, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten.
    »Ich möchte, dass du stolz auf mich bist«, klagte sie.
    »Mach dir keine Sorgen. Ich bin froh, eine so schöne Frau zu haben.«
    »Dann bleib. Bleib bei mir! Ich will … ich will, dass du mich liebst.«
    Kurz zögerte er, doch ihr Griff wurde immer fester, und schließlich ergab er sich ihr und sank mit ihr aufs Bett. Wie immer ließ er sich von ihrer Leidenschaft mitreißen, denn wie hätte er es über sich bringen sollen, sich von einer Frau zu lösen, die ihn so inniglich umarmte. Es war ein stürmischer Akt und durchaus lustvoll. Für eine Weile vergaß er alle Sorgen, vergaß auch das leise Befremden, das ihn bei

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