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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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noch lächeln, wenn sie sich die Ereignisse des Abends vor Augen hielt.
    Nach einer Weile hörte sie ein unterdrücktes Räuspern und spürte einen Blick auf sich ruhen. Sie drehte sich nicht um, denn sie wusste, dass Carl-Theodor hinter ihr stand. Er betrachtete sie oft heimlich, wenn sie sich die Haare kämmte – mit einer Mischung aus Scheu und Faszination. Anfangs hatte dieser Blick sie nahezu berauscht, und sie hatte die Macht genossen, die sie über ihn ausspielen konnte, doch mittlerweile war er ihr meistens lästig. Wie immer tat sie so, als würde sie ihn nicht bemerken, doch Carl-Theodor räusperte sich ein zweites Mal und fragte schließlich: »War das unbedingt nötig?«
    Sie drehte sich um und las in seiner Miene nichts von der üblichen Bewunderung – nur Überdruss und … leise Verachtung. Befremdet ließ sie die Bürste sinken. Vor ihm hatte sie sich nie verstellen müssen, hatte immer ihren Gefühlen freien Lauf gelassen, und nie hatte er sie dafür getadelt.
    »Ich hasse diese dummen Frauen, die glauben, sie können mit einem Lächeln alles erreichen, anstatt ihren Verstand einzusetzen«, sagte sie heiser.
    »Rosa ist nicht dumm …«
    »In jedem Fall ist sie schrecklich ungebildet«, zischte Antonie.
    Carl-Theodor trat näher. Sie hatte sich von ihm abgewandt, konnte sein Gesicht aber im Spiegel betrachten. Seine Züge waren etwas feiner als die seines Bruders und wirkten wegen des weißblonden Haars auch blutleerer. Sie mochte es, dass er keiner dieser lauten, prahlenden, herrschsüchtigen Männer war, hasste ihn jedoch zugleich für seine Harmoniesucht, die ihn so oft erbärmlich schwach erscheinen ließ. Zumindest heute Abend gab er dieser nicht nach. »Wenn du dich tatsächlich an ihrer fehlenden Bildung gestört hättest, hättest du ihr geholfen, dies nachzuholen«, erklärte er streng. »Stattdessen hast du sie vor allen bloßgestellt. Denn dir ist es letztlich egal, ob Rosa ihren Verstand benutzt oder nicht. Du kannst nur nicht ertragen, dass sie womöglich glücklicher ist als du. Weil du nie wirklich glücklich sein kannst.«
    »Wie soll jemand wie ich in dieser Welt auch glücklich sein?«, fuhr Antonie auf. »Man lässt die Frauen pflichtlos als Schmetterlinge in der Welt umherflattern, sich putzen und zieren und kokettieren … und als geistige Nahrung bringt man ihnen französische und englische Romane oder die unter solchen Umständen geradezu schädliche, weil lediglich spielerische Beschäftigung mit der Musik.« Sie hatte jenen belehrenden Tonfall aufgesetzt, wie immer, wenn sie aus einem ihrer Bücher zitierte. Für gewöhnlich konnte sie Carl-Theodor damit imponieren, doch heute schüttelte er nur müde den Kopf.
    »Ich habe dich nie gedrängt, so zu sein, ich habe dir immer alle Freiheiten gelassen.«
    »Ja, im Geheimen – aber nach außen hin mitnichten. Du gibst dich verständnisvoll und tolerant, aber als ich Artikel für die Zeitung schreiben wollte, warst du dagegen, weil es sich für eine Frau Gothmann nicht ziemt, als Journalistin tätig zu sein. Du würdest mir meine Überzeugungen niemals ausreden – aber stünde ich vor aller Welt und würde sie lautstark ausposaunen, würdest du mir den Mund zuhalten, sobald sie in deinen Augen zu verwegen wären.«
    »Der Ruf der Familie …«
    »… ist dir wichtiger als mein Glück.«
    »Herrgott! Hängt etwa dein Glück davon ab, diesen Ruf zu zerstören, so wie du’s heute tatest?«
    »Albert hat Rosa geheiratet und riskiert, dass sie sich nicht zu benehmen weiß. Nicht jeder vermag es schließlich, ein braves Frauchen zu sein wie ich.«
    »Nun, heute hast du dich gewiss nicht wie ein braves Frauchen verhalten.«
    »Und nun?«, rief sie höhnisch. »Wirst du mich bestrafen? Mir meine Bücher nehmen? Ich lese gerade eins von Rahel Varnhagen, einer jüdischen Intellektuellen.« Ihren Vater hätte sie damit provozieren können – Carl-Theodor nicht. Sie wusste nicht, warum genau das sie am meisten erboste. An ihm konnte sie sich nicht reiben, an ihm prallte alles ab. Sie hatte ihn geheiratet, weil er sich nicht von ihrem scharfen Verstand einschüchtern ließ, und gedacht, endlich zu bekommen, was sie wollte. Doch mit den Jahren stellte sich mehr und mehr heraus, dass sie an seiner Seite ausschließlich diesem Verstand folgte, ihre Gefühle jedoch wie tot waren. Wenn überhaupt, konnte er nur die schlechten erwecken, die ihre Seele vergifteten, anstatt ihr zu einem erfüllten Leben zu verhelfen.
    »Warum tust du so,

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