Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
Wände und das schlichte Mobiliar hoben seine Stimmung kaum. Er fühlte sich erst wieder ein bisschen leichter, als er das Kinderzimmer betrat und Claire erblickte – die blonden Haare zu zwei akkuraten Zöpfen geflochten, die Wangen rosig und das graue Kleidchen ohne Riss oder Flecken, wie sie Valerias Kleidung so oft abbekamen. Claire saß auf ihrem Schaukelpferd und versuchte, möglichst lautlos zu schaukeln.
    »Was machst du denn da?«, fragte Carl-Theodor lächelnd.
    »Pst!«, raunte Claire ernsthaft. »Sie muss doch schlafen.«
    Carl-Theodor folgte ihrem Blick und sah, dass Valeria über das Spiel mit ihrer Puppenküche eingeschlafen war.
    »Die Gouvernante sagt, sie schläft viel zu selten«, fuhr Claire mit altkluger Stimme fort. »Und sie läuft viel zu schnell und lacht viel zu laut.«
    Carl-Theodor sah von Valeria nicht mehr als einen Kranz dunkler Locken, die ihr ins Gesicht gefallen waren. Er trat zum Schaukelpferd. »Dann wollen wir sie weiterschlafen lassen, was meinst du?«
    Claire nickte ihm verschwörerisch zu. Lautlos traten sie auf den Gang. »Wirst du noch lange in Frankfurt bleiben?«, fragte Claire, und ihre Augen blickten plötzlich groß und traurig. Bis jetzt hatte sich Carl-Theodor nicht viele Gedanken gemacht, was seine häufige Abwesenheit in der Kleinen auslöste, nun erkannte er betroffen, dass sie ihn mehr vermisste, als er sich bewusst gewesen war.
    Er kniete sich zu ihr, so dass sie auf einer Augenhöhe waren.
    »Ich muss tatsächlich bald verreisen«, sagte er, »aber weißt du was: Diesmal kommst du mit.«
    »Mit dem Schiff?«, fragte Claire aufgeregt. »Verreist du mit dem Schiff?«
    »Nein, zunächst nur mit der Eisenbahn. Aber auch das ist aufregend. Auf dem Schiff kannst du mich noch nicht begleiten. Wenn ich über den Ozean fahre, wirst du bei Maman in Hamburg bleiben.«
    »Hamburg …«
    »Das ist eine große Stadt in der Nähe des Meeres. Es gibt dort einen Hafen …«
    »Das weiß ich doch!«, fiel Claire ihm ins Wort. »Du hast mir schon so oft davon erzählt.«
    »Nun, bald wirst du diese Stadt selbst kennenlernen.«
    Claire hatte eben noch gelächelt, wurde nun jedoch schlagartig ernst. Bedauernd zuckte sie die Schultern. »Aber das geht doch nicht!«, rief sie aus.
    Carl-Theodor starrte sie verwundert an. »Warum denn nicht?«
    »Ich muss doch auf Valeria aufpassen«, verkündete sie und stemmte ihre Hände in die Hüften.
    Carl-Theodor runzelte die Stirn. »Valeria macht doch einen fröhlichen, starken Eindruck. Denkst du nicht, sie kommt ohne dich zurecht?«
    Claire schüttelte den Kopf, ehe sie sich zu ihm beugte und in sein Ohr flüsterte: »Valeria hat manchmal Angst vor dem Finstern. Nach dem Feuer noch mehr als zuvor. Und Valeria ist schrecklich frech. Sie gehorcht nur mir … der Gouvernante überhaupt nicht.«
    Carl-Theodor ahnte, dass das maßlos übertrieben war, und musste sich zugleich eingestehen, dass er unterschätzt hatte, wie eng das Band der beiden Mädchen war. Während er noch nachdachte, was er tun sollte, war Claire zurück in die Kinderstube gelaufen, und als er ihr wenig später folgte, sah er, dass sie sich an Valeria gekuschelt hatte.
    »Du willst also lieber bei Valeria bleiben als mit mir kommen?«, fragte er gedehnt. Er wusste, Antonie würde es nie und nimmer gutheißen, dass er eine Entscheidung wie diese einem dreijährigen Kind überließ. Aber Claire kam ihm in diesem Augenblick so groß vor … so weise.
    »Natürlich!«, sagte sie und legte rasch den Finger auf den Mund, zum Zeichen, dass er nicht zu laut reden dürfte.
    Carl-Theodor betrachtete die beiden Mädchen gerührt. Wenn er an sein künftiges Leben mit Antonie dachte, fühlte er nichts als leisen Überdruss – und wahrscheinlich ging es Albert ähnlich, wenn er sich seine Zukunft mit Rosa ausmalte. Aber diese Mädchen standen sich so nahe wie Schwestern.
    Es gibt sie ja doch, dachte er bewegt. Es gibt ja doch Liebe in dieser Familie.

[home]
    Zweites Buch
    Valeria und Claire – die Liebenden
1866 – 1870
    12. Kapitel
    V aleria kaute an ihrem Griffel, doch das weiße Blatt vor ihr schien sie regelrecht auszulachen. Ihr fiel absolut nichts Vernünftiges ein, was sie schreiben konnte, und der strenge Blick von Fräulein Claasen machte es nicht besser. Diese schritt die Reihen auf und ab, und ihre Lippen wurden jedes Mal noch schmaler, wenn sie an Valeria vorbeikam. Zwar deckte Valeria das noch leere Blatt ab, aber Fräulein Claasen schien zu ahnen, dass sie einfach

Weitere Kostenlose Bücher