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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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wiederum ist insgeheim wohl ganz froh, dass ich so hässlich bin – weil sie dann als die Schönere gilt.«
    Valeria konnte sich nicht vorstellen, dass die Eltern sich tatsächlich als so lieblos und gleichgültig erwiesen, doch in den nächsten Tagen beobachtete sie sie aufmerksam und kam zu dem Schluss, dass Isabella recht hatte. Leonora hatte ständig etwas an ihr auszusetzen, um ihre eigenen Vorzüge umso dreister hervorzustreichen, und Julio war gänzlich blind gegenüber der eigenen Tochter.
    In Valeria erwachte Empörung. Sie selbst hatte nicht das beste Verhältnis zu den Eltern, aber diese hatten sie zumindest nie ihre Verachtung spüren lassen, und Valeria hatte insgeheim geahnt, dass Rosa und Albert auch einen Sohn ähnlich unterkühlt behandelt hätten. In ihr reifte der Wunsch, Isabella etwas Gutes zu tun. Die Aufmerksamkeit ihres Vaters konnte sie natürlich nicht erzwingen, aber vielleicht konnte sie ihr zu einem schönen Kleid – und etwas mehr Selbstbewusstsein – verhelfen.
    Wie sie das anstellen sollte, wusste sie jedoch noch nicht. Am besten wäre es vielleicht, mit Carl-Theodor zu sprechen, aber sie traf ihn so gut wie nie allein an. Die Männer saßen stundenlang beisammen, rauchten viel, tranken Whiskey, sprachen über die Geschäfte und noch mehr über den Krieg. Meist schotteten sie sich völlig ab. Nur beim Mittag- und Abendessen nahmen auch die Frauen teil, aber selbst dann bot sich kaum eine Möglichkeit, die Gespräche zu lenken. Wann immer Valeria den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, schrie Alejandro irgendetwas über zurückliegende Schlachten.
    Valeria verstand nicht, warum Claire so aufmerksam lauschte. Wie sollte sie nur das Thema auf Mode bringen?
    »Wir haben es den Paraguayern gezeigt!«, dröhnte Alejandro einmal mehr. »Wie geprügelte Hunde sind sie in Estero Bellaco vom Schlachtfeld geschlichen.«
    »Mag sein«, murmelte Julio. »Aber die meisten Opfer haben wir erlitten. Die Schlacht bei Tuyutí hat allein dreizehntausend Menschenleben gefordert.«
    Obwohl Valeria all das Gerede über den Krieg so langweilig fand, erschauderte sie. So viele Tote! Und hier in Montevideo merkte man gar nichts davon!
    »Manchmal gilt es, für Siege seinen Preis zu zahlen«, beharrte Alejandro stur.
    »Wir haben aber nicht nur Siege eingefahren, sonst wäre der Krieg längst zu Ende.«
    Alejandro tobte los: »Es gibt zu wenig echte Männer hier! Als ich noch jung war, hätten wir den Hurensöhnen längst den Garaus gemacht!«
    »Du kannst unserem Heer kaum anlasten, dass viele unserer Soldaten von Seuchen hingerafft wurden.«
    Alejandro sah so aus, als würde er auch das gerne der heutigen Jugend vorwerfen, doch ausnahmsweise fehlten ihm die rechten Worte, und in sein Schweigen hinein sagte Valeria plötzlich zu Julio: »Du musst erleichtert sein, keinen Sohn zu haben. Sonst müsstest du schreckliche Sorgen ausstehen.«
    Alle Blicke ruhten verwundert und auch ein wenig peinlich berührt auf ihr. Alejandro sah sie wie ein lästiges Insekt an, war er es doch nicht gewohnt, dass sich Frauen an den Gesprächen beteiligten, und Julio stimmte ihr nicht wie erhofft zu, sondern erklärte düster: »Ein Mann ohne Sohn ist wie ein General ohne Heer, wie ein Soldat ohne Waffe oder wie ein Bauer ohne Pflug.«
    Isabella stiegen Tränen in die Augen, so verlegen war sie, und Claire schüttelte kaum merklich den Kopf, offenbar eine Warnung, nicht noch mehr zu sagen. Das hatte Valeria ohnehin nicht im Sinn. Es tat ihr unendlich leid, mit ihren unbedachten Worten alles noch viel schlimmer gemacht zu haben.
    Nach dem Essen entschuldigte sie sich bei Isabella, aber diese winkte ab. »Es ist nicht deine Schuld. Ich glaube, Vater erwartet wohl von mir, dass ich mich endlich verlobe. Aber so viele junge Männer sind im Krieg. Auch jetzt während des Waffenstillstands gibt es kaum Feste – und selbst wenn es anders wäre. Ich bin ja doch zu hässlich, um einen Bräutigam zu finden.«
    »Das ist nicht wahr!«, widersprach Valeria energisch. »Du könntest durchaus etwas aus dir machen. Lass mich überlegen – meine verstorbene Tante Antonie hat immer französische Modehefte gelesen:
Le journal des Demoiselles
oder
La France élégante.
Vielleicht kann ich eines davon auch hier …«
    »Lass es gut sein«, meinte Isabella und wandte sich ab.
    Aber Valeria wollte es nicht gut sein lassen! Sie überlegte, mit Claire zu reden, aber die war noch nie an Mode interessiert gewesen. Wenn sie Geld gehabt hätte,

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