Die Rosen von Montevideo
Hoffnung, Leonora endlich mundtot zu machen, wenn sie nur oft genug betonte, wie luxuriös die de la Vegas’ lebten, erfüllte sich nicht. Zwar war das Thema Mobiliar irgendwann abgehakt, doch Leonora hörte nicht auf, Fragen zu stellen und Lob einzufordern.
»Die Engländer behaupten ja immer, dass die Morgentoilette von uns Spanierinnen nicht sehr gründlich ausfällt, aber in meinem Fall stimmt das nicht«, verkündete sie eines Tages stolz. »Ich nehme jeden Tag ein Bad.«
Valeria wollte sich die wuchtige Herrin des Hauses lieber nicht in der Badewanne vorstellen, aber sie lächelte höflich.
»In deinem Bett wirst du nie eine Wanze finden, und Dienstboten, die Läuse haben, werden sofort entlassen«, fuhr Leonora fort.
Dies nun fand Valeria grausam, aber sie ließ sich lieber nicht auf eine Debatte ein und lächelte weiterhin. Leider regte das Leonoras Redefluss nur noch an, und zu Valerias Überdruss begnügte sie sich nicht länger damit, die eigene Kultiviertheit herauszustreichen, sondern Valerias Erscheinen vor ihrer Tochter anzupreisen. Isabella folgte ihnen wie ein lautloser Schatten und fühlte sich am wohlsten, wenn sie schweigend zuhören konnte. Als ihr Name fiel, errötete sie – umso mehr, als Leonora sie wegen ihrer Schüchternheit zu tadeln begann.
»Sieh sie dir an, unsere Valeria!«, rief sie. »Du solltest sie dir zum Vorbild nehmen.«
Isabella duckte sich, als hätte sie eine Kopfnuss abbekommen, und Valeria tat sie schrecklich leid. Es klang fast so, als schämte sich Leonora ihrer Tochter, und Valeria konnte all dem Lob nichts Gutes abgewinnen, wenn es denn nur den Zweck erfüllte, Isabella zu erniedrigen und Leonora in ihrem Trachten, die anderen Damen der Gesellschaft auszustechen, zu bestätigen.
»Ja, schau nur!«, ließ Leonora nicht locker. »Wie Valeria sich kleidet, wie sie geht, wie selbstbewusst sie ist!«
Auch wenn sie es nicht sagte, zwischen den Zeilen war deutlich herauszuhören, dass Isabella eine graue Maus war. Und dass die sich verlegen wand, machte sie nicht gerade hübscher. Am meisten bestürzte es Valeria, dass sie nicht nur ihre Mutter, sondern auch Valeria selbst entschuldigend anlächelte. Sie selbst wäre wahrscheinlich wütend auf das Mädchen gewesen, das man ständig als Vorbild hochhielt, und hätte mit Trotz reagiert, doch Isabella wollte offenbar nicht nur die ständig tadelnde Mutter zufriedenstellen, sondern von Herzen ihre Freundin sein.
Nun, Leonora ließ sich nicht gnädig stimmen, aber Valeria bemühte sich fortan, so freundlich wie nur möglich zu ihrer Cousine zu sein, auch wenn sie oft nicht wusste, was sie mit ihr reden sollte. Isabella antwortete auf Fragen, wenn überhaupt, nur einsilbig, und richtete kaum das Wort an sie.
Einmal kam sie jedoch in ihr Zimmer geschlichen, als Valeria gerade ihr Haar kämmte, beobachtete sie eine Weile hingerissen und strich dann ehrfürchtig über ihre dicken Locken.
»Wie wunderschön du bist!«, rief sie.
»Das bist du doch auch!«, gab Valeria hastig zurück. Diese Heuchelei erschien ihr allerdings denn doch zu offensichtlich, also verbesserte sie sich rasch: »Ich meine, das kannst du auch sein.«
Isabella deutete auf ihre eigenen Haare. »Das glaube ich kaum. Meine Haare haben die Farbe einer Maus, und sie sind so glatt und dünn.«
Valeria musterte sie nachdenklich. An den Haaren war in der Tat wenig Gutes zu finden. Sie machten sie älter, als sie war – ein Eindruck, der nicht zuletzt durch das graue Kleid, das sie trug, unterstrichen wurde. »Aber es würde schon genügen, wenn du etwas hellere Kleider trägst«, schlug sie vor. »Organza oder Seide würde dir gut stehen. Am besten in Pastelltönen.«
Isabella schüttelte den Kopf. »Vater würde niemals so viel Geld für Stoffe ausgeben. Nicht, wenn sie für mich bestimmt wären. Sie sind sehr teuer, und er beklagt jetzt schon oft genug, dass meine Mutter so viel Geld verschwendet.«
Valeria sah sie ungläubig an. In diesem Haus wurde Luxus doch großgeschrieben – und ausgerechnet Isabella wurde knappgehalten?
Isabella erriet, was in ihr vorging, und zuckte die Schultern: »Ich glaube, ich bin für meinen Vater eine große Enttäuschung. Er hat sich so sehr einen Sohn gewünscht, aber nach meiner Geburt konnte meine Mutter keine weiteren Kinder bekommen.«
»Aber das ist doch nicht deine Schuld!«
Wieder zuckte sie mit den Schultern. »Ich glaube, er würde am liebsten vergessen, dass es mich überhaupt gibt. Und meine Mutter
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