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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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erzählen, und Sie können entscheiden, ob es sich überhaupt um eine Liebe gehandelt hat.«
    »Glauben Sie es denn nicht?« fragte Franca. Sie setzte sich. Der Felsen fühlte sich wunderbar warm und glatt an. Ein leichter Wind blies und benetzte ihre Lippen mit Salz. Welch ein herrlicher Tag, dachte sie.
    »Wie ich schon sagte«, entgegnete Beatrice, »bin ich der Ansicht, daß ich für Julien in erster Linie eine Verbindung zum Leben war. Er brauchte mich, ich war die einzige Bastion gegen die endgültige Verzweiflung. Es mag anmaßend klingen, aber ich glaube, daß ich es war, die verhindert hat, daß er durchdrehte, sich freiwillig stellte oder so unvorsichtig wurde, daß sie ihn hätten erwischen müssen. Das war meine Bedeutung in seinem Leben... die
entscheidendere Bedeutung vielleicht als die, daß wir einander — auf welche Weise auch immer—liebten. «
     
     
    Guernsey, Sommer 1943
     
    Vom Sommer des Jahres 1943 an wurde die Versorgungslage auf den Inseln immer schlechter. Im Dezember 1941 waren die Amerikaner, nach dem Angriff der Japaner auf den Truppenstützpunkt Pearl Harbor, in den Krieg eingetreten. Nacht für Nacht flogen ihre Bomber zusammen mit denen der RAF Angriffe auf deutsche Städte, verwüsteten Häuser und Straßen, brachten zahllosen Zivilisten den Tod. In Stalingrad wurde die Sechste Armee vernichtend geschlagen; am 3. Februar 1943 gab das Oberkommando der Wehrmacht die Kapitulation bekannt.
    Die Lebensmittel im Reich wurden knapp; angesichts der Zerstörung brach auch die Landwirtschaft immer mehr zusammen. Kaum jemand schien noch daran zu denken, Versorgungsschiffe zu den Kanalinseln zu schicken, die als einsamer, exponierter Stützpunkt vor der französischen Küste lagen und noch immer mit Feuereifer zur Verteidigungsfestung ausgebaut wurden — obwohl niemand mehr glauben konnte, daß sie einen wirklichen Schutz vor drohenden Invasoren würden darstellen können. Heerscharen von Zwangsarbeitern wurden gebraucht, wurden zu unmenschlichen Anstrengungen getrieben, starben am Hunger und an entsetzlichen Mißhandlungen. Je aussichtsloser die allgemeine Kriegslage wurde, desto entschlossener forcierten die Besatzer ihren Entschluß, aus den Kanalinseln eine uneinnehmbare Festung zu machen.
    Die Rationierungen wurden strenger, die Marken sparsamer verteilt. Es fiel den Wyatts nicht leicht, eine weitere Person satt zu bekommen — denn Julien hatte natürlich selbst keine Lebensmittelkarten und mußte von denen der Wyatts versorgt werden. Früher war der Arzt von vielen Inselbewohnern in Naturalien bezahlt worden, aber das gehörte nun auch der Vergangenheit an: Die Leute hatten selbst nichts mehr zu essen. Kaum jemand gab noch ein Ei oder ein Stück Schinken heraus.

    Beatrice fand, daß Julien oft zu ungeduldig war, zuviel jammerte. Andere riskierten ihr Leben für ihn, teilten ihr letztes Stück Brot mit ihm, und er tat oft nichts anderes, als zornig gegen das Schicksal zu rebellieren. Sie verstand, daß er seine Situation haßte, aber es gab Menschen, die Schlimmeres aushielten in dieser finsteren Zeit. Immer häufiger verließ er nachts heimlich das Haus und begab sich auf seine geheimen Streifzüge, obwohl Beatrice ihm immer wieder sagte, daß sie Angst habe um ihn, und daß er seine Helfer in große Gefahr brachte.
    »O Gott!« rief er wütend. »Glaubst du, ich würde sie verraten, wenn ich geschnappt werde? Wofür hältst du mich? «
    »Die haben vielleicht durchaus Methoden, dich zum Reden zu bringen«, hielt Beatrice dagegen. Sie dachte daran, wie Pierre ausgesehen hatte, als sie ihn zurückbrachten. »Außerdem verfolgen sie dich vielleicht bis in dein Versteck zurück, und das wäre ein furchtbares Unglück.« «
    »Soll ich hier langsam wahnsinnig werden und mich schließlich selbst erschießen?« schrie Julien. »Wie kannst du glauben, daß ich das alles hier noch lange durchstehe? «
    Sie nahm ihn in die Arme, strich ihm sanft über die Haare, und obwohl er nicht weinte, meinte sie, sein Schluchzen zu hören. Er war krank vor Heimweh, krank vor Sehnsucht nach Freiheit. Sein Hunger nach Leben, nach Bewegung, nach Luft zum Atmen war übermächtig geworden.
    »Manchmal habe ich Angst, er hält nicht mehr lange durch«, sagte Mrs. Wyatt eines Tages besorgt zu Beatrice. Es war ein sonniger, windiger Augusttag; die Wolken jagten pfeilschnell über einen unglaublich blauen Himmel, die Bäume bogen sich, und auf den Blättern lag ein wunderbares goldfarbenes Licht. Beatrice war

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