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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nach der Schule mit zu Mae gegangen, trotz Helenes ausdrücklichem Verbot. Aber sie hoffte, Julien wenigstens für ein paar Augenblicke sehen zu können. Ihre Gefühle für ihn vertieften sich, je mehr Zeit verging; sie wurden angeheizt durch all die Steine, die Helene und Erich ihr in den Weg legten. Sie dachte inzwischen zu jeder Sekunde des Tages an Julien. Im Unterricht, beim Spazierengehen, vor dem Einschlafen und beim Aufwachen. Sie war von einer fiebrigen Unruhe erfüllt. Ihre Sexualität, die zu Anfang sehr
unschuldig und unausgeprägt gewesen war, wurde bewußter, wacher und hungriger, je mehr Nahrung sie bekam. Sie stand jetzt kurz vor ihrem fünfzehnten Geburtstag, und jeder erfahrene Beobachter hätte am Leuchten ihrer Augen, an der Farbe ihrer Wangen und an der Art, wie sie sich bewegte, gesehen, was mit ihr los war.
    »An Tagen wie heute«, erwiderte sie auf Mrs. Wyatts besorgte Vermutung, »muß es besonders schwer sein.«
    »Geh hinauf zu ihm und tröste ihn«, sagte Mae spitz. Beatrice hatte sich stets gehütet, ihr reinen Wein einzuschenken, aber dennoch war Mae die einzige, die eine ziemlich klare Vorstellung davon hatte, was zwischen Beatrice und Julien vor sich ging. In dieser Hinsicht war sie weit weniger naiv als ihre Mutter.
    Beatrice kletterte auf den Dachboden hinauf und traf einen zornigen, unruhigen Julien an, der eine Tasse des scheußlichen Ersatzkaffees trank, den man inzwischen überall nur noch bekam — zahlte man nicht horrende Preise auf dem Schwarzmarkt, und selbst dort war echter Kaffee zu einer Rarität geworden.
    »Kannst du zur Petit Bôt kommen heute nacht?« fragte er anstelle einer Begrüßung. »Ich muß raus. Ich muß ans Meer. Ich muß dich sehen.«
    »Das ist zu gefährlich«, sagte Beatrice und dachte, daß er sie langsam hassen mußte für diesen Satz, den sie praktisch jedesmal sagte, wenn er mit Vorschlägen dieser Art kam. Sie fühlte sich wie eine besorgte Gouvernante, die den Menschen in ihrer Umgebung jeden Spaß verdirbt, aber es ging, um Himmels willen, um mehr als um ein harmloses mitternächtliches Badevergnügen am Meer.
    »Ich bin um elf Uhr in der Bucht«, sagte er, »so oder so. Ob du kommst oder nicht.«
    Er hob den Kopf, sah durch die geöffnete Dachluke hinaus in den stürmischen Himmel, der schon das lichte, kühle Blau des Herbstes angenommen hatte.
    »Mein Leben zerrinnt mir zwischen den Fingern«, sagte er verzweifelt. »Siehst du, wie die Wolken jagen? Genauso schnell vergeht die Zeit. Und ich sitze hier! « Er ballte die Hand zur Faust, ließ sie krachend auf den Tisch fallen. »Ich sitze hier!«
    »Es kann nicht mehr lange dauern. Alle sagen...«

    »Seit Jahren sagen alle alles mögliche. Niemand stoppt die deutschen Teufel, wann kapiert ihr das endlich? Vielleicht geht es ihnen gerade ein wenig schlechter, aber irgendwann geht es ihnen auch wieder besser. Es wird nie aufhören. Niemals!«
    Es war das übliche Lamento, die üblichen Reden, auf die Beatrice allmählich keine Erwiderungen mehr fand. Stets beschwor sie das Ende des Krieges, das Ende der Besatzung, stets beharrte Julien auf seiner düsteren Prophezeiung, daß es ein Ende niemals geben würde. Sie versuchte ihn zu verstehen, zu begreifen, daß seine Lage zwangsläufig eine pessimistische Einstellung hervorrufen mußte, aber dann wieder machte sie die Erkenntnis traurig, daß sie ihm nicht helfen, ihm die Panik nicht nehmen konnte.
    »Kommst du?« fragte er.
    Sie seufzte. »Ich werde es versuchen. Ich kann es nicht versprechen. «
    Sie wußte, er zweifelte nicht daran, daß sie da sein würde.
     
    Erich kam an diesem Abend aus Frankreich zurück, was die Situation verkomplizierte. Er hatte länger fortbleiben wollen, und niemand wußte, weshalb er verfrüht zurückkehrte, zumal er selbst nichts dazu sagte. Er war glänzender Laune und brachte sogar Geschenke mit: eine Perlenkette für Helene, deren Verschluß aus einem großen, leuchtendgrünen Smaragd bestand, und einen Ring für Beatrice. Der Ring war aus schwerem Gold, sehr breit und wuchtig, und trug einen dunklen Goldtopas aus Stein. Er war viel zu weit für Beatrices Finger, selbst vom Daumen rutschte er noch herunter, und er sah viel zu auffallend aus an ihren noch kindlich zarten Händen. Beatrice fand, daß er zu einer dicken, alten Dame paßte, aber keineswegs zu ihr, und daß es sowieso unpassend war von Erich, ihr einen Ring zu schenken und Helene nicht. Erich merkte natürlich, daß sie nicht allzu begeistert

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