Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
auf seine Fahnen schreiben. Hauptsache, ich kann bei ihm bleiben.
Alan wohnte in der Sloane Street, und Maja war kurz in Versuchung, mit dem Taxi zu ihm zu fahren. Aber dann wäre ihr letztes Bargeld fort gewesen, und sie hätte nur noch den Notfall-Scheck von Mae gehabt, den sie eigentlich gar nicht einlösen durfte — den sie aber einlösen würde, wie sie jetzt schon wußte. Aber ein wenig mußte sie ihre Reserven noch zurückhalten, und so entschied sie sich schweren Herzens für die U-Bahn.
Die Londoner Underground zur Rush-hour war die Hölle, um so mehr, wenn man zwei Koffer auf Rollen hinter sich herschleifen mußte und noch eine schwere Tasche um die Schultern trug. Der Apriltag war warm, die Luft in den Waggons zum Schneiden. Maja fuhr einmal in die falsche Richtung und mußte den ganzen Weg zurück, und als sie irgendwann — es schienen Stunden vergangen zu sein — auf der Sloane Street wieder ans Licht trat, war sie in Schweiß gebadet, fühlte sich verklebt, schmutzig und völlig unattraktiv.
Phantastisch, dachte sie, nun sehe ich genauso aus, wie eine Frau aussieht, wenn sie einen Mann überraschend in dessen Wohnung
aufsucht, um sich ihm an den Hals zu werfen und ihm klarzumachen, daß er sie von nun an beherbergen und ihr Leben finanzieren soll.
Keuchend setzte sie ihren Koffer ab, kramte ihr Adreßbuch aus der Handtasche und vergewisserte sich der richtigen Hausnummer. Dann machte sie sich müde an die letzte Etappe ihres Weges.
Alan hätte jeden anderen Menschen auf der Welt eher erwartet als Maja. Er stand in seinem Wohnzimmer und trank gerade einen Whisky — den zweiten des Tages —, als es klingelte. Kurz überlegte er, ob er überhaupt öffnen sollte; es war ein anstrengender Tag gewesen, und er mochte an diesem Abend niemanden mehr sehen oder sprechen. Aber es klingelte ein zweites und ein drittes Mal, und schließlich ging er zur Tür, hoffend, daß es nicht Liz war, eine junge Frau, mit der er ein paar Wochen lang zusammengewesen war. Er hatte sich wenige Tage zuvor von ihr getrennt, ohne genau zu wissen, weshalb, denn sie war attraktiv, intelligent, humorvoll und sehr verliebt in ihn. Wahrscheinlich lag es daran, daß sie nicht Maja war. Wahrscheinlich würde er sich von allen Frauen trennen, weil sie nicht Maja waren.
Er öffnete die Tür, und vor ihm stand Maja.
Ihm verschlug es buchstäblich die Sprache, aber dafür redete sie.
»Hallo, Alan. Unten im Hausflur stehen noch zwei Koffer von mir, die ich die Treppe nicht heraufbekomme. Könntest du sie holen? Und bitte sag mir, wo das Bad ist. Ich brauche unbedingt eine Dusche.«
Perplex öffnete er ihr die Badezimmertür, und sie war wie der Blitz verschwunden. Er hörte, daß sie den Schlüssel herumdrehte, kurz darauf begann das Wasser zu rauschen. Er kam sich wie ein folgsamer Trottel vor, als er die drei Treppen, die zu seiner Wohnung führten, hinuntertrabte und nacheinander zwei Koffer hinaufwuchtete, in denen sich Mühlsteine zu befinden schienen.
Wie lange will sie bleiben? fragte er sich.
Ihrem Gepäck nach zu schließen, mußte sie nahezu ihr gesamtes bewegliches Hab und Gut mit sich führen. Langsam kam er zu sich und merkte, daß er ärgerlich wurde. Es war so ungemein typisch für Maja, ihn auf diese Weise zu überfallen, ihm ihren Entschluß,
ihren Willen aufzudrängen. Und er rannte auch noch los, führte ohne ein Wort ihre Befehle aus. Andererseits hätte er schlecht ihre Koffer da unten stehen lassen oder ihr den Zutritt zu seinem Bad verwehren können. Er hörte den Fön brummen und Maja ein Lied trällern. Offensichtlich war sie bester Laune.
Natürlich. Es lief ja auch alles, wie sie es wollte.
Er ging ins Wohnzimmer, schenkte sich den dritten Whisky ein, überlegte, ob er einen Champagner im Kühlschrank hatte. Maja würde ein Glas wollen, oder mehrere, und danach hatte sie vermutlich vor, zum Essen auszugehen, in ein teures Restaurant, schick und mondän.
Weswegen war sie nach London gekommen?
Unruhig ging er im Zimmer hin und her. Es dauerte eine ganze Weile, bis Maja erschien. Sie war in ein großes, flauschiges Badetuch gehüllt, auf ihren Schultern glitzerten dekorativ ein paar Wassertropfen. Sie mußte sie nachträglich dorthin gespritzt haben, denn im Grunde war es zu lange her, seitdem sie geduscht hatte. Ihre Haare glänzten, sie hatte die Lippen nachgezogen, die Wimpern neu getuscht und sich reichlich mit Parfüm besprüht. Vorhin, als sie zur Wohnungstür hereinkam, hatte sie erschöpft
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