Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
schnippte. Und er litt Qualen, wenn sie sich dann wieder anderen zuwandte.«
»Warum ist sie jetzt bei ihm?«
»Das fragt sich Beatrice auch. Ihr schwant nichts Gutes. Sie hat Mae auf den Kopf zugesagt, ihrer Ansicht nach wolle sich Maja ein lockeres Leben in London machen, und Alan sei der Trottel, der dies finanzieren dürfe. Nun ist Mae beleidigt, und Beatrice macht sich Sorgen.«
»Hat sie mit ihm gesprochen?«
»Er ist erwachsen. Er ist über vierzig. Er würde sich von ihr nichts sagen lassen. Das weiß sie, daher ruft sie gar nicht erst an.«
»Vielleicht hat sich Maja geändert.«
»Das habe ich auch gesagt. Aber Beatrice hat nur gelacht. Sie sieht nicht viel Gutes in Maja.«
»Und wie sehen Sie das?«
Helene überlegte. » Ich fürchte, in diesem Fall hat Beatrice recht. Aber man sollte keinen Menschen pauschal und für alle Zeiten verurteilen. Natürlich kann sich auch Maja ändern. Ich denke aber, niemand auf der Insel hält das für wirklich wahrscheinlich.«
Franca trank in kleinen Schlucken ihren Tee. Sie war müde, und sie hatte den Eindruck, daß sich diese Müdigkeit seit ihrem Gespräch mit Michael als bleierne Schwere über sie gesenkt hatte. Wenn sie genau überlegte, dann war sie in den vergangenen Jahren
immer müde gewesen, wenn er mit ihr sprach oder ihr auch nur gegenübersaß. Es schien, als sauge er Lebenskraft und Energie aus ihr heraus. Wenn es ihr gerade etwas besser ging, wenn sie sich ein wenig stärker fühlte, dann kam er, und es war, als werde eine Nadel in einen Luftballon gepiekt; die Luft entwich, und es blieb nur eine schlaffe Hülle zurück.
Eine schlaffe Hülle, dachte sie, mehr bin ich in seinen Augen sowieso nicht.
Sie mußte unbedingt das Thema Michael loswerden. Er spukte in ihrem Kopf herum und fing bereits an, sich dort festzusetzen. Sie kannte nur zu gut das bohrende, zermürbende Gedankenkarussell, in das er sie bringen konnte, wenn er erst einmal in ihrem Kopf war.
»Der Vater von Alan«, sagte sie, »lebt er noch? Ich meine, sind er und Beatrice geschieden, oder ist sie Witwe?«
Helene senkte sofort die Stimme. »Ich weiß gar nicht, ob ich das erzählen darf ...« Es war keine Frage, daß sie es erzählen würde. »Nur Mae weiß außer mir noch Bescheid ... und ich glaube, sie hat ausnahmsweise einmal dichtgehalten.«
»Worüber denn?«
Helene sprach noch leiser, Franca mußte sich anstrengen, sie zu verstehen. »Der Mann, mit dem Beatrice verheiratet war, Frederic Shaye, ist nicht Alans Vater!«
»Nein?«
»Nein. Sie hat ihn betrogen — und Alan ist das Produkt dieser Affäre. «
»Oh...«
»Ja. Sie verbrachte einen Sommer hier auf Guernsey - das muß...«, Helene überlegte, »das muß 1956 oder ’57 gewesen sein... nein, 1956 war es. Da war sie ziemlich lange hier. Sie wollte das Haus ihrer Eltern verkaufen... sie suchte einen Interessenten ... «
»Wo lebte sie damals?«
»Drüben in England. In Cambridge. Shaye war Professor dort an einem College. Beatrice hatte beschlossen, nie nach Guernsey zurückzukehren, und Shaye hatte sie überredet, das Anwesen ihrer Eltern hier zu veräußern. Von allein wäre sie nie auf diesen Einfall
gekommen — schließlich lebte ich noch immer hier im Haus.« Es war für Helene offensichtlich wichtig, diesen Umstand zu betonen. Shaye war der Schuft, nicht Beatrice. Franca bezweifelte ein wenig, daß die Dinge so lagen, wie Helene sie sah. Vermutlich war auch Beatrice durchaus daran interessiert gewesen, alle Brücken hinter sich abzubrechen. Nach allem, was Franca bereits gehört hatte, war sie wohl auch durchaus begierig darauf gewesen, Helene wenigstens teilweise aus ihrem Leben zu entfernen.
»Ich war oft bei den beiden zu Besuch in Cambridge«, fuhr Helene fort, »und ich dachte eigentlich, Frederic hätte nichts gegen mich. Er tat immer so freundlich ... Aber ich glaube, insgeheim hat er ständig gegen mich intrigiert.«
»Weshalb«, fragte Franca, »sind Sie nach dem Krieg nicht nach Deutschland zurückgegangen? In Ihre Heimat?«
»Sie sind zu jung«, sagte Helene, »Sie haben diese Zeit nicht miterlebt. Nach dem Krieg ist ja plötzlich niemand in Deutschland je für die Nazis gewesen. Wenn man genau hinhörte, waren sie im Grunde alle Widerstandskämpfer. Das bedeutete, den vorhandenen, nachweislichen Nazi-Größen wurde alles, absolut alles in die Schuhe geschoben. Erich war tot, aber er war dennoch nach wie vor die perfekte Verkörperung des Feindbildes, das überall herumgeisterte. Als seine
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