Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
konsterniert.
Franca war nicht sicher, was genau Helene wußte, und antwortete ausweichend. »Sie hat ihn mal erwähnt.«
Helene schien darüber nicht glücklich zu sein. Sicherlich wäre sie gern Beatrices einzige Vertraute gewesen.
»Sie hatte mit Julien während des Krieges ein Verhältnis«, sagte sie, wobei sie erneut die Stimme zu einem Flüstern senkte, »eine ungute Geschichte, in die sie mich damals leider nicht einweihte. Ich hätte ihr doch helfen können. Aber gut, nach dem Krieg war es vorbei, Julien ging nach Frankreich, Beatrice nach England, und ich glaube, sie hatten jahrelang keinen Kontakt. In jenem Sommer trafen sie sich zufällig hier auf der Insel. Julien hatte seine Frau dabei; er wollte ihr seine Vergangenheit zeigen, hatte aber wohl nicht damit gerechnet, hier plötzlich auf Beatrice zu stoßen. Irgend etwas von den alten Gefühlen muß in ihnen hochgekocht sein, es muß ein romantischer Moment gewesen sein... Na ja, jedenfalls
trafen sie sich einige Male, und am Ende des Sommers hatte Beatrice zwar noch immer keinen Käufer für das Haus gefunden, dafür war sie aber schwanger.«
»Sie erzählte es Ihnen?«
»Nein. Aber ich erfuhr von der Beziehung. Als dann ihr Kind kam, konnte ich eins und eins zusammenzählen. Nur Julien konnte der Vater sein.«
»Und dann?« fragte Franca, nachdem eine längere Pause entstanden war.
»Und dann«, sagte Helene, »ging ich zu Frederic Shaye und berichtete ihm alles.«
Das Ticken der Küchenuhr dröhnte in Francas Ohren. Sie glaubte, nicht richtig gehört zu haben.
»Wie bitte?« fragte sie schließlich.
»Die Ehe mit Frederic Shaye wurde geschieden«, erklärte Helene gleichmütig. »Beatrice und das Baby kehrten zu mir zurück.«
Am Abend rief Michael erneut an, um zu fragen, wann Franca nach Hause zu kommen gedenke. Franca erklärte, sie wisse es nicht.
»Wie willst du deinen eigenartigen Abenteuertrip eigentlich auf Dauer finanzieren?« erkundigte sich Michael eisig.
»Wir haben ein Konto hier auf Guernsey«, erinnerte Franca.
»Wir? Ich habe es. Du solltest dir im klaren darüber sein, daß es sich um mein Geld handelt!«
»Ich habe eine Kontovollmacht. Jahrelang war ich ja auch gut genug, regelmäßig hierherzufahren und für dich ...«
»Mein Gott, das sind Dinge, die bespricht man nicht am Telefon«, fauchte Michael, »du hast wirklich von nichts eine Ahnung! «
»Ich weiß. Seit ungefähr zehn Jahren erklärst du mir das an jedem einzelnen Tag meines Lebens.«
»Vermutlich deshalb, weil es einfach stimmt.«
Sie widerstand dem Impuls, wieder einmal einfach aufzulegen. Sie konnte nicht jedesmal ein Gespräch mit ihm auf diese Weise beenden.
»Warum machen wir es nicht so, daß wir vorerst eine Weile
nicht telefonieren?« schlug sie vor. »Laß mich herausfinden, wie es für mich weitergehen soll, und versuche du herauszufinden, wie es bei dir weitergeht. Wir brauchen beide ein wenig Zeit.«
»Ich sehe nicht, wozu wir Zeit bräuchten. Vor allem hat es überhaupt keinen Sinn, irgend etwas herausfinden zu wollen, worüber wir nicht miteinander reden. Das bringt nichts.«
»Michael«, sagte Franca, »du hast eine Geliebte. Du mußt, ganz allein für dich, klären, ob du sie willst oder mich. Dazu brauchst du nicht mit mir zu sprechen. Ich kann dir dabei nicht helfen.«
»Aha. Du willst also so lange auf Guernsey herumsitzen und mein Geld verprassen, bis ich reumütig zu dir zurückkehre?«
Er kann einfach nicht anders als ekelhaft sein, dachte Franca fast traurig. »Ich denke nicht, daß ich unser Geld hier verprasse«, sagte sie betont, »und es geht nicht darum, daß du reumütig zu mir zurückkehrst. Es geht einfach darum, daß du eine Entscheidung triffst. Wie immer sie am Ende aussieht — du mußt sie treffen.«
»Du klingst wie eine verdammte Oberlehrerin«, sagte Michael, und diesmal legte er den Telefonhörer auf.
Franca ging ins Eßzimmer, wo Beatrice am Tisch saß, ein Glas mit Rotwein und eine Zeitung vor sich. Sie las jedoch nicht darin, sondern starrte gedankenverloren auf die Tischplatte.
»Störe ich?« fragte Franca.
Beatrice blickte hoch. »Nein, natürlich nicht. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist. Möchten Sie etwas essen? Ich fürchte, ich schaffe es nicht, heute zu kochen, aber ...«
»Nein, danke. Ich habe keinen Hunger. Kann ich einen Schluck Rotwein haben? Mein Mann hat gerade angerufen, und er schafft es jedesmal, mich zu deprimieren.«
»Trinken Sie, soviel Sie wollen«, sagte Beatrice und
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