Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
ihren Autoschlüssel vom Eßtisch. Michael schüttelte den Kopf. »Ich fahre«, sagte er.
Es war eigentlich unbedeutend, wer fuhr, aber irgendwie erschien Franca diese Frage plötzlich wichtig.
»Nein«, sagte sie, »ich fahre.«
Etwas in ihrem Tonfall mußte Michael erstaunt haben. Er sah sie ein wenig überrascht an und nickte dann.
»In Ordnung. Meinetwegen. Dann fahr du.«
Sie saßen auf der Veranda des Chalet- Hotels oberhalb der Fermain Bay. Den Berg hinunter zum Meer erstreckten sich die üppigen Blumengärten der Hotelanlage. Die Maisonne schien warm, schon mußte man den Schutz der Sonnenschirme aufsuchen. Über dem Meer lagen nun feine Schleier gebreitet, der Mittag war nicht mehr kristallklar wie der Morgen, sondern diesig durchsetzt. Ein ganz leichter Wind kam auf, fächelte salzdurchtränkte Luft den Berg hinauf.
»Es ist warm wie im Sommer«, sagte Franca.
Michael rührte in seiner Kaffeetasse. Sie hatten Quiche und Salat gegessen und dazu ein Guernsey-Bier getrunken, und nun waren sie beim Kaffee angelangt und hatten noch immer nichts als Belanglosigkeiten ausgetauscht. Michael hatte von Problemen im Labor erzählt und von der Kündigung seines besten Mitarbeiters, was ein harter Schlag für ihn war, wie er sagte. Franca hatte von ihren Wanderungen über die Insel berichtet, und davon, daß am I. Mai fünfundfünzig Jahre zuvor Erich Feldmann Selbstmord verübt hatte. Es schien Michael nicht im geringsten zu interessieren, aber wenigstens hörte er höflich zu.
Er merkt sich nicht ein Wort von dem, was ich sage, dachte Franca, aber andererseits ist er wegen Erich und Helene natürlich auch nicht hergekommen.
Sie hatte ein kleines Stück Sicherheit wiedergefunden. Michael hatte die Wahl des Restaurants gelobt, und das war mehr, als er ihr an Anerkennung während der letzten fünf Jahre hatte zukommen lassen.
»Ja«, sagte er nun, »wir sollten wirklich ernsthaft miteinander sprechen, findest du nicht? Du hast dich Hals über Kopf nach Guernsey abgesetzt und weigerst dich, irgendeine nähere Erklärung für dein Verhalten abzugeben oder dich zu der Frage zu äußern, wie es nun weitergehen soll. Am Telefon war es jedenfalls nicht möglich, etwas aus dir herauszubringen. Deshalb bin ich hergekommen. «
Er klang gekränkt. Natürlich empfand er es als Zumutung, daß er die weite Reise hatte machen müssen.
Was er wohl seiner Geliebten erzählt hat, fragte sich Franca. Die war bestimmt nicht begeistert von dem Vorhaben, seiner Ehefrau hinterherzureisen.
»Ich habe dir doch schon am Telefon erklärt, daß du es bist, der eine Entscheidung treffen muß«, sagte Franca, »du hast eine Affäre. Oder sogar eine ernsthafte Beziehung, ich weiß es nicht. Du mußt doch irgendwann einmal herausfinden, wie das für dich weitergehen soll.«
Er rührte etwas heftiger in seiner Tasse. Das Thema behagte ihm nicht, aber er begriff wohl, daß er es nicht unter den Teppich kehren konnte.
»An dieser Affäre, wie du es nennst«, sagte er, »bist du nicht völlig unschuldig. Das habe ich dir ja schon einmal gesagt.«
»Natürlich«, sagte Franca, »es wäre ja auch unmöglich, daß du allein die Verantwortung dafür übernimmst.«
»Das wäre unmöglich, weil es nicht gerecht wäre. So wie du dich verhalten hast, konnte ich gar nicht anders, als...« Er hielt inne, suchte nach einer Formulierung.
»...als zu einer anderen Frau ins Bett kriechen«, fuhr Franca fort, »das willst du doch sagen, oder?«
»Darauf kannst du es nicht reduzieren«, widersprach Michael sofort. »Ich habe nicht in erster Linie ein sexuelles Verhältnis gesucht. Ich habe etwas ganz anderes gesucht - ich wollte eine Frau, mit der ich etwas anfangen kann. Ins Kino gehen, ins Theater, in die Oper. Mit der ich Freunde besuchen und einladen kann. Die Selbstvertrauen hat und Kraft und mir davon auch etwas abgibt, wenn ich einmal durchhänge. Ich wollte einfach leben, Franca. Ist das so schwer zu verstehen?«
Es ist für ihn auch nicht einfach gewesen, dachte Franca, natürlich nicht. Eine Frau, die so häufig weint, die so neurotisch ist, die auf größere Menschengruppen mit Panikanfällen reagiert... das hat ihm das Leben auch schwergemacht.
»Ich kann das schon verstehen«, sagte sie. »Jeder würde es verstehen. Aber so, wie du es darstellst und wie du es dir selber sicher auch einredest, läßt du einfach einen großen Teil der Wahrheit aus.
Ich kann dir nicht alle Schuld zuschieben, Michael, aber vom Tag unseres Kennenlernens
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