Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Rechnung verlangten und gingen. Sie waren die einzigen Gäste. Im Lauf des Abends war noch ein anderes Paar dagewesen, hatte aber sehr schnell gegessen und war dann eilig wieder verschwunden. Franca hatte den Eindruck, daß jemand während der vergangenen fünf Minuten schleichend die Musik lauter gedreht hatte. Sie wollten ihnen die Unterhaltung erschweren. Sie wollten sie endlich hinausekeln.
Allerdings sprachen sie ohnehin nicht miteinander, seit einer halben Stunde schon nicht mehr. Michael hatte noch einen Cognac geordert und drehte das Glas hin und her, als wolle er den Stiel abbrechen. Es befand sich ein winziger Rest Cognac in dem Glas, eine letzte goldene Färbung am Grund.
Wofür spart er ihn sich auf? fragte sich Franca. Ist es seine Rechtfertigung dafür, hier ungebührlich lange sitzen zu bleiben? Oder will er mich halten? Er weiß, wie absurd höflich ich in jeder Lebenslage bin. Ich würde nicht aufstehen und gehen, solange noch jemand am Tisch nicht fertig gegessen und getrunken hat.
Sie hatte eine Tablette genommen, um den Abend überstehen zu können, dann war sie losgefahren und hatte Michael in seinem Hotel abgeholt. Sie wollte ihm die Wahl des Restaurants überlassen, aber er war zu lange schon nicht mehr auf Guernsey gewesen, ihm fiel kein Name ein. Sie waren an den Hafen gefahren, hatten das Auto geparkt und waren die Uferstraße entlanggelaufen, und plötzlich hatte Michael gesagt: » Schau mal, dieses Restaurant dort heißt Old Bordello ! Das klingt doch witzig, oder? Laß uns hineingehen. «
Franca fand, daß die Situation an diesem Abend alles andere als witzig war, daher verstand sie ihn nicht recht, aber da es ihr ohnehin gleich war, wo sie aßen, stimmte sie zu. Immerhin saßen sie am
Fenster und hatten einen schönen Blick auf Castle Cornet. Obwohl auch das im Prinzip keine Rolle spielte. Es ging um ihre Scheidung. Das Ambiente war in dieser speziellen Situation zweitrangig.
Michael hatte zunächst, ein wenig mühsam, oberflächliche Konversation gemacht, Smalltalk über das Wetter, die Insel, die Mentalität der Menschen, die hier lebten.
»Eine Dame im Hotel erzählte mir vorhin, daß auf der ganzen Insel am 9. Mai Feierlichkeiten stattfinden«, sagte er, »Umzüge, Paraden, Blumenschmuck... Wie fändest du es, wenn wir eine Woche hierblieben, um dabeizusein? Ich meine, was meine Arbeit betrifft, kann ich es mir kaum leisten, aber ich könnte einmal fünf gerade sein lassen. Die Augen zumachen und einfach leichtsinnig sein... Was hältst du davon?«
Es war der Moment gewesen, an dem sie das eigentliche Thema ein zweites Mal anschneiden mußte.
»Ich will nicht Ferien mit dir machen«, sagte sie, »ich will besprechen, wie wir unsere Scheidung regeln.«
Der Kellner hatte das Essen gebracht, und Michael hatte einen Moment gewartet, ehe er antwortete, obwohl der Bedienstete ihre auf deutsch geführte Unterhaltung wohl ohnehin nicht hätte verstehen können.
»Du bist aufgewühlt und erregt«, sagte er dann, »und du hast dich da in etwas hineingesteigert ... Deshalb hielt ich es auch für völlig falsch, daß du einfach weggelaufen und hierhergereist bist. Ich verstehe ja, daß dich meine... meine Affäre wütend gemacht hat.« Er stocherte etwas verlegen mit der Gabel in seinem Essen herum.
»Es tut mir leid«, sagte er schließlich. Wer ihn kannte, hätte die Einzigartigkeit des Augenblicks zu schätzen gewußt. Franca konnte sich nicht erinnern, daß Michael sich jemals entschuldigt hätte — bei wem auch immer.
»Es war nicht richtig von mir. Ich habe dich verletzt. Ich werde die Sache beenden, und es wird nie mehr vorkommen.«
»Michael ...«
Er hob die Hand. »Moment. Ich wollte noch hinzufügen, daß Weglaufen in solchen Situationen völlig falsch ist.«
Natürlich, dachte Franca, es wäre ja auch das erste Mal, daß ich etwas richtig mache.
»Es ist nicht gut, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen und vor sich hin zu grübeln. Ich kann verstehen, daß du Abstand wolltest, daß du allein sein wolltest. Aber man kommt auf dumme Gedanken, wenn man sich im engen Gefängnis des eigenen Kopfes ständig im Kreis dreht. Du siehst es ja in deinem Fall. Nun denkst du an Scheidung — was eine völlige Überreaktion ist.«
Franca schob ihren Teller ein Stück von sich. Sie bezweifelte plötzlich, daß sie in der Lage sein würde, auch nur einen Bissen hinunterzubekommen.
»Es ist keine Überreaktion«, sagte sie, »und ich habe diesen Plan auch nicht im ›engen
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