Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Gefängnis meines Kopfes‹ gefaßt, wie du es nennst. Tatsache ist, daß ich bis heute morgen überhaupt nicht daran gedacht habe. Erst in der Sekunde, in der du zur Tür hereinkamst... « Sie überlegte, wie sie in Worte fassen sollte, was sie empfand. »In der Sekunde wußte ich, daß wir uns trennen müssen. Verstehst du, es war keine Überlegung. Es war ein Wissen . Ich brauchte und brauche nicht darüber nachzudenken. Es geht nicht mehr. «
»Mein Gott, das ist ja noch schlimmer!« Auch Michael schob seinen Teller zurück, zündete sich eine Zigarette an. »Das ist ja eine richtige Kurzschlußreaktion! Dir schießt ein Gedanke durch den Kopf — ein Gedanke solch ungeheuren Ausmaßes in den Auswirkungen. Du bildest dir ein, es handle sich um ein Wissen , und — peng! Schon knallst du mir die Scheidung hin und willst nicht einmal mit mir darüber reden!«
»Wenn ich es ablehnen würde, mit dir zu reden, säßen wir nicht hier. Nach zehn Jahren gehe ich nicht weg ohne ein Wort. Wir können reden, aber das wird nichts an meinem Entschluß ändern. Und zwar deshalb, weil ich, selbst wenn ich wollte, nichts ändern könnte. Ich kann nicht! Es geht nicht mehr. Versteh das doch, schon rein körperlich kann ich bei dir nicht bleiben.«
Er sah sie beunruhigt an. »Du willst nicht mehr mit mir schlafen? Aber wir haben doch sowieso sehr selten...«
»Aber es geht doch nicht um Sex!« Sie ahnte, daß er nicht begreifen würde, was in ihr vorging. »Ich habe eine körperliche
Angstreaktion gespürt heute morgen. Ich hatte nasse Hände und weiche Knie. Mein Atem ging schneller. Ich merkte, wie ich... o Gott, Michael, das ist doch nicht normal, oder? Keine Frau sollte sich so fühlen, wenn ihr Mann ins Haus kommt.«
»Natürlich nicht, aber ist das nicht eine Reaktion, wie du sie bei dir kennst? Ich bin wirklich bereit, eine Menge Schuld auf mich zu nehmen ...«
Genau das bist du nicht, dachte Franca.
»... aber ich muß doch widersprechen, wenn du behaupten willst, dies sei eine Reaktion von dir speziell auf mich. Du reagierst auf alles mögliche so. Du bist so! Panisch, überängstlich, nervös und — sei mir nicht böse — zudem hysterisch. Das ist ja auch der Grund für dein berufliches Scheitern.«
»Aber selbst wenn das stimmt — wenigstens bei dir sollte ich doch Geborgenheit finden, oder nicht?«
»Ja, das wäre schön. Ich denke auch, ich habe eine Menge getan, dir dieses Gefühl zu vermitteln.« Er sah sie gekränkt an, beleidigt, weil sie seine Mühen nicht zu schätzen gewußt hatte. »Aber offensichtlich hat es nichts genützt. Du hast dich gegen meine Hilfsangebote ja auch immer gewehrt. Ich habe dich zu stützen versucht, habe dir erklärt, was ich an deiner Stelle tun würde und was nicht ... aber meistens wurde mir dann ja der Vorwurf gemacht, ich würde dich gängeln und bevormunden. Was ich auch tat für dich, es war dir nicht recht.«
Der Kopfschmerz meldete sich wieder, fein und hintergründig wie ein Hauch nur, aber Franca nahm ihn dennoch wahr und wußte, er würde nun von Minute zu Minute stärker werden. Der Schmerz kam immer, wenn Michael auf sie einredete. Vielleicht lag es an der Eindringlichkeit, mit der er sprach, vielleicht an den ewigen Vorwürfen, die er ihr machte, ganz gleich, um welches Thema es ging. Daß er nicht merkt, daß es keinen Sinn mehr hat zwischen uns, dachte sie voller Staunen, daß er nicht merkt, wie krank und kaputt alles ist.
Aber er konnte es nicht fühlen, überlegte sie, weil er sich nie so gestreßt gefühlt hatte in ihrer Ehe. Er war nicht niedergemacht worden. Er hatte sich nicht ständigen Angriffen ausgesetzt gesehen. Er hatte sich nicht Tag für Tag in Frage stellen müssen. Er
hatte vermutlich nie an diesem nagenden Kopfschmerz gelitten. Er war ganz einfach völlig anders bei Kräften als sie.
Der Kellner hatte inzwischen bemerkt, daß sie beide ihre Teller weggeschoben hatten, und eilte herbei.
»Ist mit dem Essen etwas nicht in Ordnung?«
»Wir haben keinen Hunger«, knurrte Michael, »Sie können abräumen. «
»Aber ...«
»Nehmen Sie es weg. Und bringen Sie mir einen Schnaps!«
Der Kellner eilte mit den unberührten Tellern davon. Michael rauchte mit hastigen Zügen.
»Ich weiß nicht, was vorgefallen ist«, sagte er, »aber irgendwie mußt du ein wenig größenwahnsinnig geworden sein hier auf Guernsey. Ich meine, du kennst dich doch schließlich! Du bist völlig lebensunfähig allein. Über Wochen konntest du nicht einmal in einen
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