Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
wohl nie verlassen. Es hatte nur zwei Wochen gedauert, bis Alan ihr auf die Schliche gekommen war.
Mae, diese dumme, naive Person! Die außer Alan als einzige immer noch glaubte, Maja werde sich ändern.
Wie beleidigt war sie wieder, als ich meine Sorgen äußerte, dachte Beatrice, und sie war einmal mehr der Ansicht, ich übertreibe! Es macht sie fertig, wenn jemand schlecht reden könnte über ihren kleinen Liebling. Bis zu ihrem Tod wird sie in Maja das Unschuldslamm sehen.
Sie fröstelte. Die Sonne war jetzt untergegangen, und sofort wurde es kühl. Der Himmel im Westen war noch rot gefärbt, aber über die Felsen und Wiesen kroch nun die Dunkelheit. Sie wußte, wie die Entwicklung sein würde: Alan würde sich nicht nur an diesem heutigen Montag bis zur Besinnungslosigkeit betrinken. Er würde es während dieser, der nächsten und der übernächsten Woche Tag für Tag tun. Er würde völlig ausfallen, für niemanden zu sprechen sein, keinen einzigen beruflichen Termin mehr wahrnehmen. Seine Sekretärin, die glücklicherweise treu und völlig verschwiegen war, würde die Hände ringen und wieder einmal mit aller Kraft versuchen, die Situation zu retten, Ausflüchte und Erklärungen zu finden, um ihren Chef wenigstens vor den Mandanten in Schutz zu nehmen, sein Ansehen zu wahren. Beatrice ahnte, daß ihr das immer schlechter gelang. In der Branche hatte es sich natürlich längst herumgesprochen, was mit Alan Shaye los war, und niemand war an Diskretion interessiert. Niemandem war daran gelegen, Alans Integrität zu schützen. Es war eine Frage der Zeit, wann seine Mandanten abspringen würden. Es hing von der Häufigkeit ab, mit der er Termine platzen ließ. Niemand machte das allzuoft mit. Die Leute gingen los und suchten sich einen anderen
Anwalt, und Beatrice vermutete, daß viele das auch schon getan hatten, daß Alan nur nicht darüber sprach. Maja würde nicht nur seine Gesundheit ruinieren. Sie konnte ihn auch in ein berufliches Fiasko treiben.
Beatrice wußte auch, aus jahrelanger, leidvoller Erfahrung, wie es nun zwischen Alan und Maja weitergehen würde. Er hatte sich von ihr getrennt und litt wie ein Hund, und sie ging ihren Vergnügungen nach und wartete in aller Seelenruhe ab. Sie wußte ganz genau, daß er sie zurücknehmen würde, daß er betteln würde, sie möge sich ihm wieder zuwenden. Er würde ungefähr zwei Wochen saufen, dann würde er wieder ins Büro gehen, er würde aussehen wie ein Gespenst, bleich und krank und elend, aus einer Hölle emporgestiegen und nachhaltig von ihr gezeichnet, aber zunächst einmal wieder unter den Lebenden weilend, wobei sein Aufenthalt dort befristet war. Die Hölle hatte ihn, es bedurfte nur einer geringen Erschütterung, ihn dorthin zurückkehren zu lassen. Er würde sich durch den Berufsalltag schleppen, sich auf sein »normales« Alkoholmaß einpendeln, das, wie stets nach derartigen Einbrüchen, wieder ein wenig über dem Pegel der Zeit davor liegen würde. Er würde leiden, er würde seine Einsamkeit spüren, sie würde in jede Faser seines Körpers und seiner Seele eindringen, ihn schwach machen, trostlos und krank. Seine innere Einsamkeit in den Zeiten ohne Maja stellte seinen schlimmsten Feind dar — und für Maja den Schlüssel zu ihrer Rückkehr. Irgendwann war er soweit. Er vergaß seinen Stolz, gab jede Selbstachtung auf. Sie beteuerte, sie wolle sich bessern, und er wollte es glauben und glaubte es daher auch, klammerte sich an die trügerische Hoffnung und eilte dem nächsten Absturz entgegen.
Sie stand auf, kuschelte sich noch tiefer in ihre Jacke, aber das nützte nichts mehr bei dem frischen Wind, der nun vom Meer kam. Zudem fror sie von innen, und dagegen half nicht einmal die wärmste Wolle.
Ich wünschte, Maja wäre tot, dachte sie, während sie zum Auto zurückging. Sie spürte die Verzweiflung wie einen stechenden Schmerz und erschrak nicht einmal über die Inbrunst ihres Wunsches. Ich wünschte, es würde sie einfach nicht mehr geben.
Sie setzte sich ins Auto, fühlte sich klein und verloren. Schuldgepeinigt.
Denn irgendwo lag eine Schuld auch bei ihr. Alan war ihr Kind. Sie hatte nicht genügend aufgepaßt.
Sie wollte nicht nach Hause. Sie blieb im Auto sitzen und sah der Nacht zu, die sich über die Insel senkte.
Sie saßen im Old Bordello , das so plüschig war, wie es sein Name verhieß, und ignorierten das Gähnen und Hüsteln der Kellner, die um sie herumeilten und sichtlich nur darauf warteten, daß sie endlich die
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