Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
sagte Beatrice kurz, »und das kommt bei jedem jungen Mann hin und wieder vor. Jetzt hilf mir, ihn auf sein Zimmer zu bringen.«
Gemeinsam zogen sie Alan die Treppe hinauf. Zwischendurch übergab er sich, was erneut heftiges Zetern bei Helene auslöste. Sie dramatisierte die Geschichte über alle Maßen - hatte Beatrice damals gefunden. Heute dachte sie: als ob sie den Beginn der Tragödie geahnt hätte!
Alan hatte, auf seinem Bett liegend, ununterbrochen geredet, und ständig war es um die Prüfungen gegangen, bei denen er durchgefallen war. Beatrice hatte ihn ausgezogen und gesäubert und ihm erklärt, er solle die dummen Prüfungen vergessen; er werde sie wiederholen, und in kürzester Zeit sei Gras über die Angelegenheit gewachsen. Sie hatte sich gesagt, daß ihm etwas schiefgegangen war und er sich tief frustriert hatte vollaufen lassen. Wem war so etwas noch nicht passiert?
Es passierte Alan für den Rest der Ferien an jedem einzelnen Abend. Er ging mit Freunden weg und kehrte völlig betrunken nach Hause zurück. Einige Male kam er gar nicht wieder, und Beatrice ging ihn suchen, fand ihn am Hafen von St. Peter Port auf Parkbänken oder auf den Steinen liegend. Häufig lag er in seinem Erbrochenen. Sie wußte, daß das nicht mehr normal war. Es passierte zu häufig, und sein Konsum war zu unmäßig. Er betrank sich nicht einfach. Es schien, als wolle er sich zu Tode trinken. Es schien, als finde er das Leben so unerträglich, daß er ihm ständig und am besten für immer entfliehen wollte. Beatrice klammerte sich an der Hoffnung fest, es geschehe nur während der Ferien, während dieser Ferien. Wenn er wieder an der Uni war, regelmäßig arbeiten mußte, konnte er sich derartige Eskapaden
kaum leisten. Dann mußte er zu einer anderen Lebensweise zurückfinden.
Er fand nicht mehr zu einer anderen Lebensweise zurück, zumindest nicht dauerhaft. Es gab Phasen, da war er trockener, aber das bedeutete auch nur, daß sich sein Alkoholkonsum in Grenzen hielt, die es ihm erlaubten, sich unauffällig zu bewegen. Er brauchte eine bestimmte Menge jeden Tag, mit der er »gut« war - erfolgreich, kommunikativ, selbstsicher. Blieb er darunter, wurde er zittrig und nervös. Überschritt er die Menge, dann lag er in einer Ecke, und es war nichts mit ihm anzufangen. Seiner Umgebung - selbst Beatrice - machte er auf diese Weise eine ganze Weile lang glaubhaft vor, es sei alles in Ordnung mit ihm. Wer die typischen Merkmale des Gewohnheitstrinkers nicht kannte - die großporige Haut, die gerötete Nase, die gelbliche Färbung der Wangen, die tiefen Säcke unter den Augen –, hätte ihn für einen gesunden, stabilen Mann gehalten, der manchmal ein wenig elend aussah, was man aber auf Streß und Überarbeitung zurückführen konnte. Beatrice hatte Jahre gebraucht, um zu begreifen, daß ihr Sohn ständig trank. Daß er jedem Problem des Alltags mit Alkohol begegnete. Jeder beruflichen Herausforderung, jedem Ärger mit Kollegen oder Mandanten, jeder Frustration in seinem Beziehungsleben. Sie wußte später gar nicht genau zu sagen, woran sie es am Ende erkannt hatte, es war ein schleichendes Erkennen gewesen, ein langsamer Prozeß, in dessen Verlauf sie gelernt hatte, die Anzeichen zu deuten, hellhörig und scharfsichtig zu werden. Irgendwann gelang es ihr nicht mehr, sich noch etwas vorzumachen. Ihr Sohn war Alkoholiker. Und es schien keinen Weg zu geben, ihm zu helfen. Sie konnte ihm nur immer wieder zu verstehen geben, daß sie da war. Daß er – was auch immer passierte - nie eine Scheu haben mußte, zu ihr zu kommen.
Sie saß auf dem Felsen und sah zu, wie die Sonne ins Wasser fiel, und dachte verzweifelt, daß alles erst wirklich schlimm geworden war, als er begonnen hatte, sich mit Maja einzulassen. Was zum Teufel fand er an dieser kleinen, billigen Schlampe, die ihm das Wasser nicht reichen konnte? Maja war sehr attraktiv, aber es gab unendlich viele attraktive Frauen, und viele von ihnen hatten darüber hinaus Stil und Anstand und lebten nach gewissen moralischen
Regeln. Alan sah gut aus und hatte einen interessanten Beruf. Beatrice wußte, daß ihn viele Frauen anhimmelten. Warum mußte es die unmöglichste Person von ganz Guernsey sein?
Und natürlich war es nun wieder schiefgegangen. Es ging immer schief, und außer ihm hatte das auch schon jeder begriffen. Zwei Wochen lang hatte sich Maja offenbar zusammengenommen, dann war sie in das ihr angestammte Verhaltensmuster geglitten. Genaugenommen hatte sie ihr Muster
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