Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Todes gestorben. Von eigener Hand zwar, aber nichtsdestoweniger war es Gewalt. «
»Ob die beiden zusammengeblieben wären, wenn Erich nicht gestorben wäre?«
Franca zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich denke, ja. Helene hätte nicht die Kraft zu einer Trennung aufgebracht. Sie wäre an Erich hängengeblieben, so wie sie nun an Beatrice hängengeblieben ist.«
»Weshalb«, fragte Maja, »hat man ihm damals eigentlich nicht mehr helfen können? Hatte er sich... in den Kopf geschossen?«
»Soweit ich weiß, hat er sich nur in die Brust geschossen und hat dann noch stundenlang gelebt. Er wäre wohl zu retten gewesen. Er ist verblutet, weil kein Arzt aufzutreiben war. Ihr Urgroßvater war den ganzen Tag über unterwegs, und auch anderswo konnten sie niemanden finden. Das war Erich Feldmanns Verhängnis. «
Maja runzelte die Stirn. »Mein Urgroßvater war den ganzen Tag unterwegs? «
»Es muß ein ziemliches Chaos geherrscht haben auf den Inseln. Hitler hatte sich einen Tag zuvor erschossen. Die Russen standen in Berlin. Die Alliierten waren auf dem Vormarsch. Niemand wußte, was aus den Besatzern der Kanalinseln werden sollte. Alle Ärzte waren im Einsatz, und bestimmt achtete niemand mehr darauf, ob es noch irgendwo einen erreichbaren Notdienst gab oder nicht.«
»Das meine ich nicht«, sagte Maja, »ich wundere mich nur, weil... «
»Ja?«
»Ich glaube, Urgroßmutter Wyatt hat mir erzählt, daß ihr Mann am Tag, als Erich starb, drüben war. In Beatrices Haus. Irgendwann am späteren Nachmittag wurde er dorthin gerufen... es hatte einen Unfall gegeben mit einem französischen Zwangsarbeiter ... ich weiß nicht mehr genau... «
»Eigenartig«, sagte Franca, »ich bin ganz sicher, daß Beatrice mir erzählte, daß... «
»Oh, vielleicht täusche ich mich auch«, sagte Maja. Sie schlang beide Arme um den Körper, so als fröstele sie. Es war unvermindert heiß, aber das Frieren mochte aus ihrem Innern kommen.
»Ich habe sicher etwas mißverstanden«, fügte sie hinzu.
Ihre Haut glänzte, als habe sich ein Schweißfilm darauf gebildet. »Ich glaube, ich sollte nach Hause gehen. Entschuldigen Sie, Franca, daß ich Sie mit meinen Problemen belästigt habe.«
»Ich habe mich nicht belästigt gefühlt. Auf Wiedersehen, Maja. Setzen Sie sich daheim in die Sonne und entspannen Sie ein wenig. « Sie sah ihr nach, der schmalen, hochgewachsenen Gestalt mit den langen Haaren und den endlosen Beinen.
Ein Kind, dachte sie, wie konnte Alan so viele Jahre seines Lebens an ein Kind verschenken?
Als Franca nach Le Variouf zurückkehrte, stand Beatrice in der Eingangstür und wartete auf sie. Sie schien sich den ganzen Tag über nicht gekämmt zu haben, denn ihre Haare hingen wirr und zerzaust um ihren Kopf, und sie hatte auch die Kleidung, in der sie
mittags im Garten gearbeitet hatte, nicht gewechselt: An ihren Jeans klebte Erde, und das übergroße Herrenhemd, das sie darüber trug, zierten Grasflecken. Ihr Gesicht war spitzer geworden in den vergangenen zwei Wochen, magerer und älter. Zum erstenmal dachte Franca, daß man ihr das Alter ansah.
»Wie gut, daß Sie kommen, Franca!« sagte Beatrice erleichtert, »ich habe ständig versucht, Maja zu erreichen, denn ich dachte, vielleicht weiß sie, wo Alan ist. Vor ein paar Minuten habe ich sie endlich daheim erwischt. Sie sagte, Sie beide haben sich auf dem Friedhof getroffen? Sie hat mit Alan heute mittag in The Terrace gesessen, und offenbar war Alan wieder ziemlich am Trinken. Ich habe so gehofft, daß Sie nach Hause kommen, Franca. Andernfalls hätte ich jetzt ein Taxi bestellt, aber so...« Sie holte tief Luft, sie hatte so schnell geredet, daß sie darüber das Atmen vergessen hatte. »Franca, könnten Sie mit mir nach St. Peter Port fahren? Ich möchte Alan abholen. Ich habe gar kein gutes Gefühl. Wahrscheinlich ist er bereits so betrunken, daß er nicht mehr Auto fahren kann, und ich möchte nicht, daß er heute nacht noch bewußtlos ins Hafenbecken fällt oder etwas noch Schrecklicheres tut! «
»Natürlich fahre ich Sie«, sagte Franca sofort, »ich will nur meine Handtasche holen.«
Sie rannte die Treppe in ihr Zimmer hinauf, kramte aus ihrer Nachttischschublade eine Tablette, schluckte sie ohne Wasser. Sie hatte am Morgen eine genommen und auf der Heimfahrt vom Friedhof bereits gespürt, daß die Wirkung abgeklungen war: Ein leichtes Prickeln in den Fingerspitzen hatte ihr dies signalisiert, und eine Nervosität, die sich ganz langsam in
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