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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Mord.«
    Das Wort Mord stand im Raum wie ein Fremdkörper, von dem niemand genau wußte, was er darstellte, der aber Bedrohung und Schrecken atmete.
    »Pierre oder Erich«, sagte Helene, aber dies war nicht ihr Motiv, und das war das Schreckliche.
    »Laß uns nach ihm sehen«, meinte Beatrice nur.
    Erich lag im leergeräumten Eßzimmer, in dem nur noch die Anrichte quergerückt und einsam herumstand, auf dem Boden. Sie hatten eine Decke unter und eine über ihn gelegt. Erichs Gesicht hatte eine gelbliche Farbe angenommen, er verlor laufend Blut, und sein Atem ging flach. Aber er war bei Bewußtsein und wandte den Kopf, als die Frauen eintraten.
    »Bastard«, murmelte er mit zusammengepreßten Zähnen, »gottverfluchter Bastard. Wo ist er? Er darf nicht entkommen.«
    Beatrice nahm an, daß er von Pierre sprach, und der Umstand, daß er - offensichtlich - wenigstens für den Augenblick genau wußte, was geschehen war, bewies, wie gefährlich es für Pierre tatsächlich wäre, wenn man einen Arzt holte.
    Aber wir können ihn doch nicht einfach seinem Schicksal überlassen, dachte sie schaudernd.
    Erich versuchte sich aufzusetzen, aber es gelang ihm nicht. Sein Kopf fiel schwer wieder zurück.
    »Schmerzen«, flüsterte er, »ich habe Schmerzen. Ich brauche einen Arzt.«
    »Es ist keiner zu bekommen«, sagte Helene. Sie kniete neben ihm nieder, legte die Hand auf seine Stirn. Sie sah aus wie die perfekte barmherzige Samariterin. »Alle Ärzte sind im Einsatz und nicht zu erreichen. Aber wir versuchen es weiter.«
    »Das Hospital«, stieß Erich hervor, »bringt mich zum Hospital! «
    »Wir haben doch kein Auto«, sagte Helene sanft.
    »Will soll kommen.«

    »Wir wissen nicht, wo er ist. Wir können einfach niemanden erreichen. Bleib ganz ruhig liegen. Ich bin sicher, heute abend kann Dr. Wyatt kommen!«
    »Bis heute abend bin ich tot«, murmelte Erich. Über seinem Gesicht lag ein dicker Schweißfilm. Er verlor zuviel Blut, und nun setzten auch die Schmerzen ein, die bislang durch den Schock für ihn nicht spürbar gewesen waren. Die Kugel mußte Muskeln und Nerven, wahrscheinlich auch die Lunge, zerfetzt haben. Schließlich begann Erich zu wimmern wie ein kleines Kind. In seine Schmerzen mischten sich Todesangst und steigendes Fieber.
    Beatrice hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten.
    »Helene, das ist unmenschlich«, sagte sie, »ich kann das nicht aushalten. Ich...«
    Ihrer beider Rollen hatten sich auf eigentümliche Weise vertauscht. Helene war erwachsen, beherrschte die Situation. Beatrice verlor beinahe die Nerven und wußte nicht weiter.
    »Geh du hinaus«, sagte Helene, »tu etwas Vernünftiges. Du könntest versuchen, etwas zum Essen zu organisieren. Ich bleibe bei Erich.«
    »Aber... «
    »Geh hinaus«, wiederholte Helene mit einem Anflug von Schärfe in der Stimme, die Beatrice noch nie an ihr vernommen hatte. Es ging um alles für sie. Sie war entschlossen, sich von Erich zu befreien, und sie entwickelte Kräfte, die kein Mensch jemals bei ihr vermutet hätte.
    Beatrice stand auf und schlich hinaus. Der Garten lag trocken und heiß unter der Sonne, die nur ganz langsam jetzt an Höhe verlor und sich dem westlichen Horizont zu nähern begann. Es ging kein Windhauch, kein Blatt, kein Grashalm rührte sich. Beatrice setzte sich auf die Stufen, die von der Veranda in den Garten hinunterführten, und stützte den Kopf in die Hände. Sie hätte losziehen können und zusehen, ob ihr ein Bauer im Dorf noch irgend etwas verkaufte, ein paar Eier oder etwas Brot, aber sie hatte das Gefühl, jeder müßte ihr ansehen, was passiert war. Jeder müßte in ihren Zügen lesen können, daß Erich daheim im Eßzimmer lag und sterben würde, und daß ein Arzt dagewesen war, dem sie nichts erzählt
hatten, und daß Helene entschlossen war, ihn sterben zu lassen, damit sie befreit war von ihm für den Rest ihres Lebens.
    Ein Alptraum, dachte sie ratlos und verzweifelt, ein entsetzlicher Alptraum, und ich weiß nicht, wie er enden wird.
    Ihr war schwach vor Hunger, aber sie hätte nichts essen können. Sie war überzeugt, überhaupt nie wieder etwas zu essen. Einmal stand sie auf und stolperte in die Küche, um Wasser zu trinken, aber ansonsten saß sie nur bewegungslos da und wartete, daß etwas geschehen würde, von dem sie nicht wußte, wie es aussehen sollte.
    Gegen halb sechs begann Erich laut zu stöhnen. Die ganze Zeit über war kein Laut aus dem Zimmer bis in den Garten gedrungen; Beatrice hatte nur, als sie in der

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