Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Verschwörung, war Teil seiner Zeit und dessen, wozu sie die Menschen nötigte. Aber sonst gibt es niemanden. Niemanden, der etwas wußte. Und ich würde gern... ich würde gern wissen, was Sie von all dem halten, Franca. Wie Sie über uns denken. Über mich und Helene und über das, was wir getan haben. War es Mord in Ihren Augen? Glauben Sie, daß wir zwei Mörderinnen waren? «
Sie dachte über diese Frage nach, während sie die Hafenpromenade von St. Peter Port entlanglief und Ausschau hielt nach Alan. Ab und zu spähte sie in ein Restaurant oder in eine Kneipe hinein und faßte alle Bänke, die entlang der Straße standen, ins Auge. Die Laternen am Hafenbecken brannten, und sie konnte alles recht gut sehen. Aber natürlich konnte er auch irgendwo tiefer in der Altstadt sein oder an eine ganz andere Ecke der Insel gefahren sein.
Sie hatte Beatrice nach Hause geschickt, weil die so müde und blaß, so entkräftet schien, daß es nach Francas Ansicht kaum Sinn hatte, mit ihr durch die Stadt zu ziehen. Es hatte sie allzuviel Energie gekostet, von Erichs Tod zu sprechen. Sie hatte fahl, hager und todmüde ausgesehen. »Passen Sie auf«, hatte Franca gesagt, »Sie fahren heim und legen sich ins Bett. Sie klappen mir sonst noch zusammen,
und damit ist niemandem gedient. Ich werde nach Alan sehen.«
Natürlich hatte Beatrice heftig protestiert. »Keinesfalls, Franca. Vier Augen sehen mehr als zwei. Außerdem haben Sie kein Auto hier, wenn ich mit Ihrem nach Le Variouf fahre!«
»Ich habe dann ja Ihres - sowie ich Alan gefunden habe.«
»Und wenn Sie ihn nicht finden?«
»Dann nehme ich ein Taxi. Das ist doch alles kein Problem.«
Beatrice kapitulierte, ein Zeichen, daß sie sich so schlecht fühlte, wie sie aussah. »Aber Sie bringen ihn mit?« vergewisserte sie sich noch.
»Ich bringe ihn mit«, versprach Franca, »Sie können sich darauf verlassen.«
Sie entdeckte ihn nirgendwo, und langsam fürchtete sie, ohne ihn nach Hause fahren zu müssen. Arme Beatrice, dachte sie, wenn er nicht mitkommt, wird sie kein Auge zutun.
Ein paarmal drehte sie sich um und betrachtete die Märchenkulisse, die das hell angestrahlte Castle Cornet bot. Die Nacht war sehr warm, und noch immer waren viele Menschen unterwegs. Sie hätten sich in einem südeuropäischen Ferienort befinden können.
Das Wort »Mörderinnen« tanzte durch ihren Kopf.
»Sie und Helene waren keine Mörderinnen«, hatte sie zu Beatrice gesagt, als diese sie so angespannt angesehen hatte dort oben in The Terrace. »Den tödlichen Schuß auf Erich haben nicht Sie abgegeben, sondern Pierre. Was Sie getan haben, nennt man unterlassene Hilfeleistung.«
Beatrice hatte den Begriff mit einer unwirschen Handbewegung vom Tisch gewischt. »Ich möchte nicht die juristische Definition dessen, was ich getan habe, sondern die moralische. Und da wissen wir beide, daß es Mord war, nicht? Wir können es nicht beschönigen. «
»Sie könnten auch argumentieren, Erich zu retten hätte Mord an Pierre bedeutet. Und Pierre wäre sicher das weitaus unschuldigere Opfer gewesen als Erich.«
»Aber die Rettung Pierres war nicht unser Motiv. Es geht mir darum, was wir im Innersten wirklich gefühlt haben. Vor der Welt, das weiß ich, würden wir gar nicht so schlecht dastehen. Erich war
ein Nazi-Bonze. Er hat ein paar wirklich schlimme Dinge getan, und er hat seinem verbrecherischen Regime mit Leib und Seele gedient. Und tatsächlich haben wir Pierre gerettet - einen jungen, französischen Kriegsgefangenen, der von Erich jahrelang schikaniert und ausgebeutet wurde. Ich denke, niemand würde verurteilen, was wir getan haben. Aber ich weiß, daß nicht Erichs Hitlertreue uns verleitet hat, ihn sterben zu lassen, und auch nicht der Gedanke an Pierre. Helene wollte ihn los sein. Sie hatte den falschen Mann geheiratet und wußte nicht, wie sie aus der Geschichte herauskommen sollte. Nun bot sich eine Gelegenheit, und sie ergriff sie. So einfach und so wenig heroisch war das. Ein schlichter Gattenmord, der nichts mit Krieg, Verfolgung oder den Nöten der Zeit zu tun hatte. Nicht das geringste.«
»Was war eigentlich Ihr Motiv? « hatte Franca gefragt, und Beatrice hatte sie erstaunt angesehen.
»Mein Motiv?«
»Ja. Sie haben Helenes Motiv geschildert, aber was war Ihres? Die junge Beatrice war eine eigenständige, tatkräftige Person, das hatte sie oft genug bewiesen. Sie hätte losgehen können und einen Arzt holen, anstatt in den Garten zu flüchten und sich die Ohren
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