Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
feststellen, daß du viel besser über das Leben meiner Mutter informiert bist als ich«, sagte Alan, nachdem Mae verschwunden war. »Mir hat sie von diesem Julien nie etwas erzählt. «
»Ich glaube, Mütter erzählen ihren Söhnen selten etwas über ihre Liebschaften«, meinte Franca, »das solltest du keinesfalls persönlich nehmen.«
Aber Alan hatte das Thema offensichtlich schon wieder abgehakt, es interessierte ihn nicht besonders, mit welchen Männern seine Mutter irgendwann einmal eine Beziehung unterhalten hatte. Er schien froh, daß Mae nicht länger bei ihnen am Tisch saß.
»Ich habe mir überlegt«, sagte er, »daß es das beste wäre, zu Kevin zu fahren und ihm unseren Verdacht auf den Kopf zuzusagen. Wir werden sehen, wie er reagiert. Ich kann ihm juristische Hilfe anbieten. Ich denke, das wäre fair. «
»Wenn er es nicht war«, entgegnete Franca, »wovon ich überzeugt bin, dann wird er sehr verletzt sein. Und zwar zu Recht. Das ist nicht irgendein Verdacht, Alan, den du da aussprichst. Es geht
um Mord. Um einen besonders grausamen Mord dazu. Und das«, fügte sie mit einem Kopfschütteln hinzu, »ist es auch, weshalb ich mir Kevin als Täter absolut nicht vorstellen kann. Selbst wenn alles zusammenpaßt, Alan, wenn alles, was du sagst, Hand und Fuß hat —Kevin würde nicht hingehen und Helene die Kehle durchschneiden! Vielleicht würde er sie erwürgen oder ihr eine Flasche auf den Kopf schlagen, im Affekt, in seiner Verzweiflung, aber er würde es nicht fertigbringen, etwas so Entsetzliches zu tun. Kevin ist ... « Sie suchte nach einer Formulierung, wußte, daß das Wort, das sie schließlich fand, unangemessen war und dennoch die Sache traf, »Kevin ist viel zu zimperlich für eine so blutige Grausamkeit.«
»Wir werden ihn mit unseren Überlegungen konfrontieren«, beharrte Alan. »Vielleicht kann er uns etwas sagen dazu, was alles entkräftet. Es ist besser, als gleich zur Polizei zu gehen, und er muß sich dann den Beamten gegenüber rechtfertigen.«
»Ich fühle mich scheußlich dabei«, sagte Franca. Sie schob ihren halbleeren Teller von sich, sie hatte keinen Hunger. Die Panik lag wieder auf der Lauer. Sie erwischt mich heute noch, dachte sie deprimiert, irgendwann, in einem unpassenden Moment. Bei Kevin vielleicht.
Alan schob seinen Teller ebenfalls weg. Auch er schien keinen rechten Appetit zu haben. »Ich bin sicher«, sagte er, »daß die Polizei auch bald auf die Idee kommen wird, Kevin ins Auge zu fassen. Die sitzen schließlich nicht untätig herum. Sie ziehen Erkundigungen ein, kombinieren... und es wird ihnen klarwerden, daß da irgend etwas mysteriös ist. Es wird ein bißchen dauern, weil sie eine Reihe von Fakten nicht kennen, von denen wir wissen: Sie wissen nichts über Helenes Geld, wissen nicht, daß Kevin sie ständig angepumpt hat, daß er am Tag der Beerdigung versucht hat, ihr Zimmer zu durchstöbern und so weiter. Aber glaube mir, sie kommen hinter das alles, und dann ist er fällig. Im Grunde tun wir ihm einen Gefallen, indem wir der Polizei vorgreifen. «
Seine Worte leuchteten ihr ein, und doch hatte sie ein dummes Gefühl. Sie bemühte sich, es zu ignorieren. Vielleicht fühlte sie sich auch nur deshalb so elend, weil sie keine Tablette eingenommen hatte.
»Na gut, dann gehen wir«, sagte sie und stand auf.
Das kleine Cafe am Hafen hatte eine Terrasse, die direkt über dem Wasser lag, ein schlichter Boden aus Holzplanken, schlichte Tische und Stühle, ein paar zerfledderte Sonnenschirme. Das Gebäude stand so, daß es jeden Windhauch abfing, und so war es auf der Veranda inzwischen sehr heiß geworden.
Beatrice hatte längst ihre Regenjacke ausgezogen und streifte nun auch ihren Pullover über den Kopf. Darunter trug sie ein weißes T-Shirt, auf das ein Pferdekopf gedruckt war. Mit beiden Händen versuchte sie, ihre wirren Haare zu ordnen. »Gott, wer hätte das gedacht«, sagte sie, »daß es heute noch so warm werden würde!«
Julien sah sie an und lächelte. »Du wirst es für ein dummes Kompliment halten, Beatrice, aber du hast dich gar nicht so sehr verändert. Natürlich bist du älter, genau wie ich. Aber deine Bewegungen, dein Lachen, die Art, wie du den Kopf wendest ... das alles ist gleich geblieben. In deiner Ausstrahlung hast du nichts von einer alten Frau. Du könntest das junge Mädchen sein, das mit mir auf dem Dachboden in Le Variouf saß und Victor Hugo las.«
»Jetzt übertreibst du«, widersprach Beatrice, »mich trennen Lichtjahre
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