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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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durch die Menschen am Hafen kämpfen ließ. Sie wurde von einem einzigen Gedanken beherrscht: nach Hause. Weg von all dem Lärm und Gedränge. Raus aus der Masse, von der sie fürchtete, erstickt oder zu Tode getrampelt zu werden. Dies gefühlt zu haben glaubte sie sich wenigstens Jahre später zu erinnern. Vielleicht hatte sie aber auch gar nichts gefühlt, gar nichts gedacht. Sie hatte unter Schock gestanden, hatte sich bewegt wie eine Aufziehpuppe, ohne Vernunft, ohne Verstand. Irgendwann war sie, zu Tode erschöpft, daheim angekommen, hatte mit bebenden Fingern den Ersatzschlüssel unter einem Stein im Blumenbeet hervorgeholt, die Haustür aufgeschlossen und sich verkrochen wie ein Fuchs vor der Meute aus Hunden und Jägern.
    Der fremde Mann lächelte ihr aufmunternd zu. »Das ist alles kein Drama, Kleines«, meinte er, »du bist ja nun nicht mehr allein. «
    »Können Sie mich zu meinen Eltern bringen?« fragte Beatrice. Er schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Vorläufig kann niemand mehr von hier nach England, und umgekehrt kann niemand von England zurück.«
    »Aber wann...«
    »Wenn wir ganz England besetzt haben«, sagte er, »dann wird das kein Problem mehr sein.«
    Eigentlich realisierte sie erst in diesem Moment, daß es ein Deutscher sein mußte, der ihr da gegenübersaß. Deshalb sprach er die englischen Worte so eigenartig aus, deshalb trug er eine Uniform. Er schien nicht das Ungeheuer zu sein, das sie sich unter einem
Deutschen vorgestellt hatte. Er hatte ihr Wasser gegeben, anstatt sie sofort zu erschießen, und er schien auch nicht vorzuhaben, ihr irgend etwas zu tun. Aber eine abgrundtiefe Trostlosigkeit kam über sie; nun, da ihre Erstarrung sich löste, wurde ihr bewußt, daß Deborah und Andrew weit fort waren und daß es für eine lange Zeit keine Möglichkeit geben würde, sie wiederzusehen.
    »Was soll ich nur tun?« flüsterte sie.
    »Wir sind keine Unmenschen«, sagte der Mann, »dir wird nichts geschehen.«
    »Aber ich will zu meiner Mummie!« Sie hörte sich an wie ein kleines Kind, das wußte sie, und schon klangen Tränen in ihrer Stimme.
    »Du mußt jetzt eine tapfere, junge Dame sein«, sagte der Mann, und zum erstenmal war ihm ein Hauch von Ungeduld anzumerken. »Es nützt nichts, wenn du weinst und klagst. Du wirst deine Eltern wiedersehen eines Tages, und bis dahin wirst du dich so verhalten, daß sie stolz sein können auf dich.«
    Sie würgte die Tränen hinunter und nickte. Es war ihm vielleicht nicht bewußt gewesen, aber er hatte den entscheidenden Satz gesagt, der ihr helfen würde, die Jahre zu überstehen, die vor ihr lagen.
    Sie würde sich so verhalten, daß Deborah und Andrew stolz sein konnten auf sie.

7
    »Und wieso führst du einen Briefwechsel mit dieser Frau?« fragte Kevin erstaunt. »Du kennst sie doch kaum!«
    »Ich weiß«, sagte Beatrice, »aber sie stellte so interessante Fragen. Sie schien wirklich etwas über mich und Helene und unser Leben wissen zu wollen. Und warum sollte ich es ihr nicht erzählen ? «
    Sie saß in Kevins Küche am Tisch und sah ihm beim Kochen zu. Er hatte sie zum Abendessen eingeladen, zum Dank für den Scheck, den sie ihm ausgestellt hatte, hatte ihr aber vorgeschlagen,
ruhig etwas früher zu kommen und ihm bei den Vorbereitungen Gesellschaft zu leisten. Er wußte, daß sie das liebte. Sie saß gern in seiner gemütlichen, kleinen Küche mit den weißlackierten Möbeln, trank ein Glas Wein, rauchte eine Zigarette und plauderte mit ihm. Sie sagte oft, es gebe beinahe nichts, was sie so entspannend und beruhigend finde wie diese Zusammenkünfte - vor allem, wenn sie ohne Helene stattfanden.
    »Diese... wie heißt sie noch? Franca? Diese Franca lebt in Deutschland und interessiert sich für die Lebensgeschichten zweier wildfremder Frauen auf einer Kanalinsel? Ich finde das höchst eigenartig. Hoffentlich hat sie nicht irgendwelche unseriösen Absichten. «
    Beatrice lachte. Sie zündete sich eine Zigarette an, qualmte genießerisch. »Welcher Art sollten denn ihre unseriösen Absichten sein? «
    Kevin überlegte. »Vielleicht will sie irgendwie an Geld kommen. «
    »Wie sollte sie das denn? Abgesehen davon, ist bei Helene und mir wirklich nicht viel zu holen.«
    Kevin schüttelte bedenklich den Kopf. »Du bist viel zu vertrauensselig. Und ein wenig naiv. Ich würde einfach einem fremden Menschen nicht zuviel über mich selbst erzählen.«
    »Sie ist harmlos. Eine junge Frau, die offensichtlich ein paar schwere Probleme hat.

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