Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Irgendwie erschien sie mir sehr einsam.«
»Ist sie verheiratet?«
»Ja.«
»Dann ist sie doch nicht einsam!«
»Die Tatsache, daß man verheiratet ist, besagt noch nicht, daß man nicht unter Einsamkeit leidet! Man kann in einer Ehe sehr allein sein.« Sie runzelte die Stirn. »Wie lange willst du denn noch an diesen Tomaten herumreiben? Es wird bald nichts mehr übrig sein.«
Kevin hörte auf, die Tomaten zu bearbeiten. »Man kann mit Gemüse nicht vorsichtig genug sein«, meinte er, »du willst schließlich nicht, daß ich dich vergifte, oder?«
»Ich denke, das ist dein eigenes Gemüse, aus biologischem Anbau. «
»Schon. Aber es geht ja nicht nur um Pestizide. Sondern auch um Bakterien, die alle um uns herumfliegen.«
»Wenn man so alt ist wie ich, dann hat man so viele Bakterien überlebt, daß sie einem ziemlich egal sind«, sagte Beatrice. Sie lehnte sich zurück und betrachtete Kevin besorgt. »Du bist so unruhig in der letzten Zeit. Oft abwesend. Irgend etwas bedrückt dich.«
»Ich habe ein paar finanzielle Sorgen, das weißt du ja.«
»Immer noch?«
»Dein Scheck hat mir sehr geholfen. Ich kann dir nicht genug danken«, sagte Kevin, aber das Lächeln, das seine Worte begleitete, wirkte aufgesetzt. »Es ist alles in Ordnung.«
»Sicher?«
»Ja. Sicher. Bitte, Beatrice, schau mich nicht so eindringlich an! Und laß uns von etwas anderem reden. Wir wollen einen schönen Abend verleben. Nicht über Unerfreuliches sprechen.«
Sie akzeptierte seine Bitte. »Na gut«, sagte sie leichthin, »lassen wir das. Es ist schön bei dir, Kevin. Ich kenne niemanden, der eine so wunderbare, so blitzsaubere Küche hat wie du. Wenn ich daran denke, wie es in der von Alan in London aussieht — ich meine, sauber ist es dort auch, aber ziemlich ungemütlich und kalt.«
»Trotzdem bist du sicher froh, daß nicht ich dein Sohn bin, sondern Alan. Die wenigsten Mütter können sich damit anfreunden, wenn ihre Söhne schwul sind.«
Beatrice überlegte. »Ich glaube, sie können sich schlecht damit anfreunden, wenn ihre Söhne unglücklich sind. Und die Art und Qualität der Beziehungen, die wir eingehen, sind nun einmal ziemlich entscheidend dafür, ob wir glücklich werden oder nicht. Homosexualität bringt eine ganze Reihe von Problemen mit sich, das weißt du am besten. Nur — wie Alan lebt, das macht mir, weiß Gott, auch die größten Sorgen. Er ist nirgendwo zu Hause. Ich glaube, er hat viele wechselnde, kurze Affären, aber nichts, was einmal länger hält.«
»Vielleicht ist es genau das Leben, das er führen möchte«, mutmaßte Kevin. Er war dabei, den Kopfsalat mit der gleichen Inbrunst zu säubern wie zuvor die Tomaten. »Und ich meine, es ist immer noch besser für ihn, ständig seine Bettgenossinnen zu wechseln, als an diesem Flittchen Maja hängenzubleiben!«
Beatrice schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, an Maja ist er hängengeblieben. Das genau ist sein Problem. Er ist besessen von ihr. Er kann sich eine andere Frau als sie gar nicht mehr vorstellen. Das blockiert ihn für jede andere ernsthafte Beziehung. Manchmal habe ich entsetzliche Angst um ihn. «
»Ist er noch auf der Insel?«
»Er ist schon am Tag nach meinem Geburtstag nach London geflogen. Wahrscheinlich sehe ich ihn erst Weihnachten wieder.«
Kevin hielt plötzlich inne. Sein Gesicht hatte einen angespannten Ausdruck angenommen. »Hast du das gehört?«
Beatrice starrte ihn an. »Nein. Was denn?«
»Ich meine, da wäre jemand an der Haustür gewesen.«
»Schau doch nach! Im übrigen würde jeder, der dich besuchen will, einfach hereinkommen.«
»Nein«, sagte Kevin, »ich habe abgeschlossen. Bist du sicher, daß du nichts gehört hast?«
Beatrice stand auf. »Ich sehe jetzt nach.« Sie trat in den schmalen Hausflur hinaus. Kevin hatte die Tür tatsächlich verschlossen und sogar noch die Sicherheitskette vorgelegt. Beatrice öffnete, spähte hinaus. Niemand war zu sehen; nur eine Katze rekelte sich auf der Hofmauer in der warmen Septembersonne. Unweit des Hauses ragte der runde Kirchturm von St. Philippe de Torteval in den klaren, blauen Abendhimmel. Schon lag ein rötlicher Glanz über den wilden Blumen und Büschen, die das Grundstück umwucherten. Beatrice atmete tief. Wie herrlich es hier ist, dachte sie. Sie mochte das Dörfchen Torteval im Südwesten der Insel noch lieber als Le Variouf, ihre Heimat. Von Torteval aus konnte man zu Fuß zum Pleinmont Point gehen, und die wilden Felsen dort, die schäumende Brandung, das
Weitere Kostenlose Bücher