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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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wir etwas zu essen für dich finden.«
    Sein Englisch klang fast perfekt, und er hatte warme, freundliche Augen. Beatrice folgte ihm in die Küche. Es roch nicht gut in dem Raum; die Sommerwärme staute sich zwischen den Wänden, und irgendwo säuerte Milch vor sich hin.
    »Wir brauchen Eis«, sagte der Mann, nachdem er die Kühlschranktür geöffnet und angeekelt das Gesicht verzogen hatte, »hier ist alles abgetaut.«
    Er stöberte in den Schränken herum, was Beatrice schmerzhaft als einen schwer erträglichen Übergriff empfand. Deborahs Küchenschränke! Aber sie sagte sich, daß er es wohl gut meinte. Er wollte etwas zu essen für sie finden.
    »Wie heißen Sie?« fragte sie leise.
    »Wilhelm. Alle sagen Will zu mir. Wie heißt du?«
    »Beatrice.«
    »Ein hübscher Name, Beatrice. Wie nennen dich die Leute?«
    »Sie nennen mich so, wie ich heiße.«
    »Und dein Vater? Deine Mutter? Haben die nicht einen Kosenamen für dich?«
    Etwas würgte in ihrer Kehle. »Meine Mutter...«, ihre Stimme klang eigenartig, »meine Mutter sagt oft Bee zu mir.«
    »Wenn du magst, werde ich dich auch so nennen.« Er sah sie prüfend an. »Oder ist dieser Name deiner Mum vorbehalten?«
    Das Würgen in ihrer Kehle wurde stärker. Noch eine Sekunde, und sie würde in Tränen ausbrechen. Sie wollte nicht weinen, wollte nicht, daß er sie in den Arm nahm und tröstete und ihr über die Haare strich, genau das, soviel konnte sie spüren, würde er tun. Er betrachtete sie voller Mitgefühl und mit echter Wärme.
    Sie schaffte es. Sie schluckte und schluckte, und die Tränen blieben aus.
    »Mir wäre es lieber, Sie würden mich Beatrice nennen«, sagte sie schließlich.
    Er seufzte leise. »In Ordnung. Hör zu, Beatrice, in dieser Küche gibt es nichts, was nicht entweder angeschimmelt oder verfault wäre. Ich fürchte, du mußt dich noch etwas gedulden. Aber noch
vor heute abend wirst du etwas zu essen haben, das verspreche ich dir. «
    Eigentlich hatte sie überhaupt keinen Hunger, aber das sagte sie nicht. Erwachsene beharrten ständig darauf, jede Menge Essen in Kinder hineinzustopfen, das war sicher bei den Deutschen nicht anders als bei den Engländern.
    »Darf ich bitte hinauf in mein Zimmer gehen?« fragte sie.
    Will nickte; er sah bekümmert aus. Beatrice spürte, wie leid sie ihm tat, wie sehr es ihn drängte, sie auf irgendeine Weise zu trösten.
    Aber vielleicht will ich gar keinen Trost von einem Deutschen, dachte sie aggressiv. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und stieg die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer.
    Dort sah alles aus wie immer. Nichts hatte sich verändert seit dem hektischen Aufbruch der Familie. Die Rosentapete, die himmelblaue Kommode mit dem Spiegel darüber, die kleinen, gerahmten Bilder, die Motive der Kanalinseln zeigten, das Bett, auf dem aufgereiht ein paar Puppen und Tiere saßen, der Schreibtisch, der weißlackierte Kleiderschrank — alles war friedlich, unberührt von den Ereignissen. Nur eine dicke Biene schwirrte mit verzweifeltem Brummen wieder und wieder gegen die Fensterscheibe. Beatrice öffnete das Fenster, und sie entschwand mit erleichtertem Summen in den blaßblauen Himmel.
    Die Wärme des Sommertages flutete ins Zimmer, der Duft der Rosen, die unter dem Fenster wuchsen, breitete sich süß und sinnlich aus. Die Rosen schienen für Beatrice mehr als all die vertrauten Gegenstände um sie herum den Frieden zu verströmen, der bislang die felsensichere Grundlage ihres Lebens dargestellt hatte. Bis zu diesem Moment hatte sie nicht erkannt, wie selbstverständlich Gleichmaß und Unbeirrbarkeit jeden Tag und jede Stunde für sie bestimmt hatten. Eine Ahnung sagte ihr, daß die alte Zeit nie wiederkehren würde, aber sie versuchte sich trotzdem an die Hoffnung zu klammern, der Alptraum würde vergehen, und alles würde so sein, wie es einmal gewesen war.
    Beatrice saß den ganzen Nachmittag lang auf ihrem Bett, aufrecht und mit zusammengepreßten Knien, ein braves Schulmädchen, zu dem nur die wirren Haare und das erschöpfte Gesicht
mit den hungrigen Augen nicht recht passen wollten. Sie konnte hören, daß reges Leben und Treiben im Haus herrschte. Autos fuhren vor, Stimmen und Schritte hallten aus allen Zimmern. Sie empfand die deutschen Laute als bedrohlich, vor allem deshalb, weil sie nicht eine Silbe verstand und es nicht einmal mitbekommen hätte, wenn man dort draußen über sie gesprochen hätte, und darüber, was mit ihr nun geschehen sollte.
    Sie widerstand dem Bedürfnis, eine

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