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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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hinter sich, lehnte sich aufatmend dagegen. Im Spiegel gegenüber konnte sie sich sehen, und sie erschrak fast vor dem bleichen Gespenst, das ihr von dort entgegenblickte. Sie hatte stark abgenommen, sah spitz und hohlwangig aus, und ihre Augen waren riesig und angsterfüllt. Die langen, dunkelbraunen Haare hingen strähnig und struppig über ihre Schultern, wirkten stumpf und glanzlos. Hatte das lange weiße Nachthemd auch früher schon so um ihren Körper geschlottert?
    Da sie nun schon einmal hier war, wusch sie sich auch, putzte ihre Zähne, kämmte die Haare. Sie sah besser aus danach und fühlte sich auch so, und während sie sich noch prüfend im Spiegel musterte, kam ihr wie eine Eingebung die Erkenntnis: Ich sollte nicht hier bleiben. Es ist mein Haus, aber jetzt haben sie es, und dieser Mann ist gefährlich. Ich muß sehen, daß ich wegkomme.
    Der Gedanke war so erschreckend, daß er ihr Herzklopfen verursachte und sie sich für einen Moment am Waschbecken festhalten mußte. Sie hatte das Haus bislang trotz allem noch als sicheren Hort in dem Chaos empfunden, und die Vorstellung, diesen Halt aufzugeben, machte ihr angst. Aber es stimmte nicht, das Haus war nicht länger ihre Heimat. Es befand sich in der Hand des Feindes und konnte zur Falle werden. Wichtig für sie waren jetzt Menschen — Menschen, die sie liebten und die sie beschützen würden.
    Es gab genügend Freunde auf der Insel; das Problem war nur, daß sie nicht wußte, wer von ihnen noch hier war. Sie hatte die Menschenmassen im Hafen gesehen, und es erschien ihr zweifelhaft,
ob sich auch nur noch eine einzige englische Katze auf der Insel aufhielt. Am Ende war sie die letzte, die ...
    »Das findest du nur heraus, indem du dich auf die Suche machst«, sagte sie sich leise.
    Deborah hatte gemeint, Mae wäre mit ihrer Familie ebenfalls evakuiert worden, aber sicher hatte sie es nicht wissen können, und vielleicht waren Mae und ihre Eltern noch auf Guernsey. Die Sehnsucht nach der vertrauten und geliebten Freundin überwältigte sie beinahe. Sie würde keine Zeit mehr verlieren.
    Sie huschte in ihr Zimmer zurück, zog sich in Windeseile an. Sie wählte ihre Schuluniform, denn die würde sie brauchen, wenn sie wieder zum Unterricht ginge. In einen kleinen, mit Leinen überzogenen Koffer, der ursprünglich ihren Puppen gehört hatte, packte sie etwas Wäsche, eine lange Hose und einen Pullover. Das mußte genügen, und außerdem konnte sie sich auch Sachen von Mae leihen. Wenn Mae nur da war! Sie sandte ein Stoßgebet nach dem anderen zum Himmel, während sie lautlos ihre Zimmertür öffnete, den Gang entlangschlich und sich vorsichtig die Treppe hinunterbewegte, geschickt die knarrenden Stufen überspringend, von denen sie genau wußte, wo sie sich befanden.
    In der kleinen Eingangshalle atmete sie tief durch. Sie wollte sich noch ihren runden, kleinen Matrosenhut von der Garderobe angeln, da vernahm sie hinter sich ein Geräusch, und als sie sich umdrehte, sah sie Erich, der in der Tür zum Wohnzimmer aufgetaucht war und dort schweigend stehenblieb.
    Im Zimmer hinter ihm lag hell glänzend das Mondlicht und machte ihn zum schwarzen Schatten ohne Gesicht. Beatrice konnte ihn atmen hören, und sie roch den Alkoholdunst, den er verströmte. Sie selbst sagte ebenfalls kein Wort, und so standen sie einander einige Momente lang schweigend gegenüber. Dann machte der Schatten eine Bewegung, und Licht flammte auf.
    Beatrice blinzelte. Erichs Gesicht war geisterhaft bleich und von einem feinen Schweißfilm bedeckt. Er sah ganz anders aus als noch drei Stunden zuvor beim Abendessen, als seine Wangen hektisch gerötet gewesen waren und er so feist und unangenehm gewirkt hatte. Nun, da selbst seine Lippen alle Farbe verloren hatten, schien er beinahe ätherisch, kraftlos und krank.

    »Ach, sieh an«, sagte er. Die Worte kamen ein wenig schleppend, aber Beatrice hatte schon gemerkt, daß er englisch viel langsamer sprach als deutsch. »Willst du verreisen?«
    Da der kleine Koffer neben ihr stand, hatte es wenig Zweck zu behaupten, sie habe nur im Garten den Mond betrachten wollen.
    »Ich möchte zu meiner Freundin Mae«, sagte Beatrice.
    »Zu deiner Freundin Mae? Und wo, bitte schön, wohnt die?«
    »Weiter unten im Dorf.«
    »Hm. Ist sie nicht evakuiert worden?«
    Genau dies wußte Beatrice nicht zu sagen, aber sie behauptete mit einiger Kühnheit: »Nein. Ist sie nicht.«
    Die Blässe in seinem Gesicht vertiefte sich, seine Stimme jedoch klang

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