Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
ruhig.
    »Aha. Und warum wolltest du bei Nacht und Nebel zu ihr schleichen? Warum hast du nicht bis morgen gewartet und mit mir darüber gesprochen?«
    Sie wußte nicht, ob sie es wagen konnte, die Wahrheit zu sagen, aber sie dachte, daß sie im Grunde nicht viel zu verlieren hatte. »Ich war sicher, Sie hätten mich nicht gehen lassen.«
    Er lächelte. Sein Lächeln war nicht böse, aber es war ohne Freundlichkeit.
    »Du warst dir sicher? Und da dachtest du, vorsichtshalber trickse ich den Alten einfach aus und mache mich bei Nacht und Nebel davon.«
    »Mae und ihre Eltern sind wie eine Familie für mich. Ich...«
    Er lächelte noch immer. »Hast du dir einen Moment lang überlegt, welche Sorgen ich mir gemacht hätte?«
    Hätte er sich Sorgen gemacht? Vielleicht, dachte sie. Er hatte ihr gegenüber vom ersten Moment an eine gewisse Fürsorglichkeit an den Tag gelegt, und sie konnte nicht wirklich etwas gegen ihn sagen, abgesehen davon, daß ihr seine aggressiven Reden beim Abendessen nicht gefallen hatten. Sie schwieg.
    Der Schweiß auf Erichs Stirn verdickte sich zu kleinen, glitzernden Tropfen. Es schien ihm ziemlich schlecht zu gehen.
    »Du sollst wissen, Beatrice, daß ich mich für dich verantwortlich fühle«, sagte er, »genaugenommen fühle ich mich nicht einfach verantwortlich, ich bin es. Ich habe dich zitternd und verzweifelt
im Wohnzimmer gefunden, verlassen von aller Welt, und seit diesem Moment bin ich für dich verantwortlich. Du magst dich recht erwachsen fühlen, und du bist zweifellos reif für dein Alter — aber du bist ein Kind, und du brauchst jemanden, der sich um dich kümmert. Deine Eltern sind nicht mehr da, und wie ich schon sagte, es wird eine ganze Zeit dauern, bis du sie wiedersiehst. Für diese Zeit — und ich möchte, daß du das wirklich verstehst — bin ich der Mensch, zu dem du gehörst. Eine Art Vormund. Das bedeutet...« Er machte eine kurze Pause und sprach dann sehr langsam und betont weiter: »Das bedeutet, du tust , was ich dir sage. Und du lebst in meinem Haus . Unter meiner Aufsicht. Ist das klar?«
    »Ich habe Sie verstanden«, sagte Beatrice kühl.
    Die Hoffnung, Mae wiederzusehen, zerfiel. Es schien ihr nicht ratsam, ein zweites Mal zu versuchen, das Haus zu verlassen.
    »Vielleicht wirst du noch einmal weglaufen wollen«, sagte Erich, so als habe er ihre Gedanken ahnen können, »aber du sollst wissen, daß das überhaupt keinen Sinn hat. Dies hier ist eine Insel, wie du weißt. Und sie ist voller deutscher Soldaten. Es gibt keinen Winkel, den wir nicht kontrollieren. Das heißt, ich hätte dich im Handumdrehen gefunden. Du hast keine Chance, Beatrice, und das solltest du dir wirklich klarmachen.«
    »Warum wollen Sie unbedingt, daß ich hierbleibe?« fragte Beatrice. »Wenn ich doch auch bei meiner Freundin wohnen könnte?«
    Er runzelte die Stirn, und sie begriff, daß er für sein Empfinden genügend Erklärungen gegeben hatte, daß er keine weiteren Diskussionen wünschte.
    »Ich habe entschieden, daß du hierbleibst«, sagte er, »daran wird sich nichts ändern, und je eher du dich mit diesem Gedanken anfreundest, desto einfacher ist es für uns. Und nun gehst du hinauf, ziehst deine hübsche Schuluniform aus und legst dich in dein Bett. Du siehst müde aus.«
    Und du siehst krank aus, dachte Beatrice aggressiv, aber sie erwiderte nichts mehr, sondern drehte sich um und stieg, ihren albernen Puppenkoffer in der Hand, wortlos die Treppe hinauf und verschwand in ihrem Zimmer. Sie schloß die Tür nachdrücklich hinter sich. Ein paar Augenblicke später konnte sie Erichs schwere
Schritte hören. Er ging ins Bad und dann in das Schlafzimmer von Beatrices Eltern, und dies war der Augenblick, der unter all den bedrohlichen, befremdlichen, erschreckenden Momenten dieses Tages Beatrice am heftigsten weh tat: zu hören, wie der deutsche Offizier ohne zu zögern Deborahs und Andrews Schlafzimmer besetzte und zu seinem eigenen machte.
     
    Knapp drei Wochen später traf Helene Feldmann auf Guernsey ein.
    Beatrice hatte sich in diesen drei Wochen allmählich von dem Schock erholt, in dem sie zunächst gefangen gewesen war, aber noch immer erschien ihr jeder einzelne Tag wie ein Alptraum, dessen Schrecken vor allem darin bestand, daß man wußte, er würde am nächsten Tag immer noch da sein, und im nächsten Monat auch noch. Nichts deutete darauf hin, daß die Deutschen vorhatten, die Inseln wieder zu verlassen, oder daß irgend etwas geschehen würde, was sie dazu zwingen

Weitere Kostenlose Bücher