Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
gab Franca anstelle einer Antwort zurück. Ihr war klar, daß er von seiner Geliebten kam, sie sah es ihm an, wobei sie nicht hätte definieren können, woran genau sie es bemerkte. Weder saß seine Krawatte schief, noch hatte er Lippenstift im Gesicht, noch waren seine Haare zerzaust. Er roch auch nicht, soweit sie es feststellen konnte, nach fremdem Parfüm. Aber er strahlte etwas aus... eine satte Zufriedenheit, ein gefestigtes Selbstvertrauen, ein Einverständnis mit sich und seinem Leben - Glück...
Ja, vielleicht ist es das, dachte Franca, und feine Stiche in ihrem Magen zeugten davon, wie sehr sie dieser Gedanke berührte: Er ist glücklich.
Sie hatte sich bisher geweigert, den Begriff Glück, der in ihrer Vorstellung eine gewisse Reinheit und eine altmodische Romantik vereinte, mit einer trivialen außerehelichen Affäre in Verbindung zu bringen. Aber womöglich hatte sie sich da etwas vorgemacht. Michael war glücklich, er sah glücklich aus, und damit hatte es sich. Es änderte nichts an seinem Glück, wenn sie es ignorierte.
»Wieviel Uhr ist es denn?« entgegnete Michael auf ihre Feststellung, setzte sich aufs Bett, indem er ihr den Rücken zuwandte, und begann seine Schuhe auszuziehen. Franca warf einen umständlichen Blick auf den Wecker neben sich, obwohl sie sowieso wußte, wie spät es war.
»Fünf nach eins. Ich nehme nicht an, daß du bis jetzt im Labor warst. «
Er hatte die Schuhe nun abgestreift, stand auf und zerrte an seiner Krawatte. »Zum Teufel, nein, natürlich nicht. Was soll ich die halbe Nacht im Büro?«
»Dann warst du bei ihr? «
»Ja.«
» War es nett? «
Sie hatte erwartet, daß er ihre Frage abschmettern würde, daß er sie anherrschen würde, sie solle nicht derartigen Unsinn reden und sie beide in Verlegenheit bringen. Statt dessen zögerte er einen Moment und sagte dann: »Ja. Es war ein wunderschöner Abend.«
Seine Stimme hatte einen weichen Klang. Franca erinnerte sich dunkel, diesen Klang bereits früher einmal gehört zu haben, vor sehr langer Zeit, vor sehr vielen Jahren. Sie hatte ihn schon vergessen, hatte nicht geglaubt, daß es ihn noch gab. Nun zauberte ihn Michael hervor, als sei kein Tag vergangen, als habe sich nichts geändert, als sei nicht in der Zwischenzeit die Welt zusammengestürzt.
Sie brauchte ein paar Momente, um sich zu fassen, dann sagte sie mit rauher Stimme: »Mein Abend war nicht ganz so wunderschön. Ich habe ferngesehen, wobei ich dir schon nicht mehr sagen könnte, was eigentlich lief, und ich habe eine Flasche Rotwein getrunken. Es kamen keine Anrufe. Ich habe mit niemandem geredet. «
Michael zuckte mit den Schultern. »Genau das, was du magst, oder? Keine Anrufe, keine Gespräche. Niemand, der dir Angst einjagen kann. Es ist das Leben, das du führen willst, also sei zufrieden. «
»Du glaubst ernsthaft, das ist das Leben, das ich führen will?«
»Es ist das Leben, das du führst. Also nehme ich an, du willst es auch so.«
»Du meinst, alles, was man tut, will man auch tun? Zwangsläufig? «
»Sonst würde man es ja nicht tun, oder?« Michael hatte sich ausgezogen, kroch unter seine Bettdecke, streckte sich gähnend. »Ich bin todmüde. Machst du bitte das Licht aus?«
Sie richtete sich auf. »Ist dir jemals in den Sinn gekommen, ich könnte Hilfe brauchen? Deine Hilfe?«
Seine Laune verdüsterte sich nun zusehends. Er hatte einen schönen Abend gehabt, er wollte an einzelne Momente dieses Abends denken und dabei einschlafen, und er wollte sich keinesfalls mit den Problemen seiner Frau beschäftigen. Er konnte sie nicht lösen, und sie hingen ihm schon lange zum Hals heraus. »Müssen wir das jetzt besprechen?« fragte er, erneut gähnend. »Es ist ein Uhr nachts. Ein bißchen Schlaf sollte ich noch kriegen, ehe ich um sechs Uhr wieder aufstehen muß.«
»Es ist nicht meine Schuld, daß du erst so spät ins Bett gekommen bist.«
»Ich habe nicht gesagt, daß es deine Schuld ist. Ich habe dich nur gebeten, mich jetzt schlafen zu lassen. Vielleicht könntest du mir diesen Gefallen tun?«
In seiner Stimme schwang jene feine Schärfe, die Franca zur Genüge kannte und von der sie gelernt hatte, daß es besser war, sie nicht zu ignorieren. Aber hatte sie nicht immer geschwiegen, wenn er ihr signalisierte, sie solle schweigen?
»Es kann so nicht weitergehen«, brach es aus ihr heraus, »du mußt dich endlich dazu äußern, wie du es dir weiterhin vorstellst. Wie lange willst du dein Verhältnis fortführen, und wie lange
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